Radiotip: "Geschichte einer Bluttat"

■ Heute: Feature über das Schicksal der mißhandelten und im Bremer Bürgerpark getöteten Asylbewerberin

Radiotip: „Geschichte einer Bluttat“

Heute: Feature über das Schicksal der mißhandelten und im Bremer Bürgerpark getöteten Asylbewerberin

Heute sendet Radio Bremen 2 das Hörfunk-Feature von der Autorin Inge Buck und der (früheren taz-) Journalistin Barbara Debus: „Nirmala Ataie. Die Geschichte einer Bluttat“. Buck und Debus haben das Schicksal der jungen Frau aus Nepal recherchiert, die als Asylbewerberin in Bremen monatelang von ihrem Mann schwer mißhandelt und vor genau zwei Jahren von ihm im Bürgerpark mit 17 Messerstichen umgebracht wurde.

taz: Diesem Hörfunk-Feature liegt eine grausige, tragische Geschichte zugrunde. Warum war die Hindu-Frau Nirmala Ataie aus einer hochstehenden Kaste dem moslemischen Asylbewerber nach Bremen gefolgt?

Unsere Sendung muß viele Rätsel offen lassen. Ob es Liebe war, ob sie in Nepal aus einer schwierigen Lage herauskommen wollte, ob er einfach eine schöne Frau nach Deutschland bringen wollte, das ist alles ungeklärt.

In Bremen haben die beiden zuerst bei seinem Bruder gelebt, dann Am Dobben in einem kleinen Zimmerchen in einem sogenannten Asylanten-Hotel. Er hat sie über Monate sehr schwer mißhandelt und vor Gericht angegeben als Grund, daß sie nicht mehr Jungfrau gewesen war.

Dann kam sie ins Frauenhaus.

Ja. Erst zur Awo, drei Tage; dann ins autonome Frauenhaus. Da hat sie noch gelebt, als sie sich zum letzten Mal mit ihrem Mann getroffen hat. Die Frauenhaus- Frauen haben sich geweigert, Öffentlichkeits-Arbeit zu leisten — obwohl durch sie alles ins Rollen gekommen ist. Sie haben damals den taz-Artikel angeregt über den Kultur-Konflikt bei der Beerdigung. Sie fanden: Nirmala war Hindu in ihrem Herzen und wollten, daß sie in ihrem Glauben feuerbestattet wird, auch wenn sie einen Moslem geheiratet hatte. Aber vor Gericht haben die Brüder des Mannes Recht bekommen, sie moslemisch zu beerdigen — als Märtyrerin.

Und der Mann?

Verurteilt für 4 Jahre 19 Monaten wegen Totschlags im Affekt. Er hat die Tat sehr tief bereut.

Aus der schrecklichen Tat und all den Rätseln habt Ihr ein Radio-Feature gestaltet, wie?

Wir zeigen die Geschichte in Mosaiksteinen, die Lebensgeschichte und die Beziehungen zu den FreundInnen und Bekannten. Aber die dunklen Stellen haben wir auch dunkel gelassen. Und: Wir wollten nicht den Ehemann zum Monster stempeln.

Also eine Schilderung und eine Chronologie durch Zeugenaussagen und Beschreibungen?

Ja, die sich ergänzen und auch widersprechen.

Und der Tod, der Mord?

Beschrieben nach der Schilderung des gerichtlichen Gutachtens, das sich sehr einfühlsam mit dem Täter auseinandergesetzt hat. Wir konnten den Mann nicht interviewen, auch nicht nach dem Prozeß, weil er völlig gebrochen war.

Wie haben sich die Bremer Behörden verhalten?

Die Polizei recht vorbildlich; sie hat Nirmala immer aus ihrer Wohnung rausgeholt, mißhandelt wie sie war, hat das dokumentiert und sie in Frauenhäuser gebracht. Aber völlig versagt hat die Staatsanwaltschaft, die hat die Ermittlungen eingestellt, statt einzuschreiten. Eine Woche nach dem Tod hat die Staatswanwaltschaft in ihrer Ignoranz an die Adresse vom Frauenhaus den Bescheid zugestellt: es gäbe kein öffentliches Interesse, weiter zu ermitteln. Das hat dann zu dem Sonderdezernat geführt.

Seid Ihr bei Euren Recherchen unterstützt worden?

Von der Polizei sehr, wir konnten alle Betreffenden interviewen. Und das Awo-Frauenhaus hat Selbstkritik geübt und gesagt, man müsse mehr auf die eingewanderten Frauen eingehen und sich frühzeitig um Dolmetscher bemühen. Die persönliche Habe Nirmalas im autonomen Frauenhaus wurde von der Polizei damals nicht sichergestellt, und das Frauenhaus hat auch uns keinen Einblick gewährt, deshalb konnten wir auch die Verwandten in Nepal nicht ausfindig machen. Alle anderen Stellen — Polizei, Awo-Frauenhaus, Asyl-Bewerber, Nachbarn — alle haben interessiert mit uns kooperiert. Die Frauen vom autonomen Frauenhaus sagen, wer über einen Einzelfall berichtet, lenkt bloß ab von den hunderttausend anderen.

Ihr habt Euch journalistisch- handwerklich mit dieser tragischen Geschichte beschäftigt. Verändert das was?

Geändert hat sich für mich die Sicht auf den Mann. Am Anfang war das für mich ein schrecklicher Täter, der seine Frau über Monate mißhandelt hat, Zigaretten auf ihr ausgedrückt hat, der schließlic 17mal zugestochen hat. Mit der Zeit hab ich den als Menschen gesehen, der eng in seinen Traditionen aufgewachsen ist und ein ganz festes Frauenbild hatte, dem Nirmala auch nicht entsprochen hat, dem sie wohl auch Dinge über sich und ihre familiären Hintergründe verheimlicht hat. Fragen: S.P.

RB 2, 21-22 Uhr; 88,3 MHz.

Für ihr Manuskript zum gleichen Thema haben Inge Buck, Barbara Debus und Konstanze Radziwill 1991 den 1. Bremer Förderpreis für Dokumentarfilm bekommen. Der Film soll im Frühjahr fertig sein.