Bremer Lehrerin observiert

■ Eine dubiose Observation, von der weder Bremer Polizei noch VS etwas wissen wollen

Gabi Trutz war Lehrerin an der Gesamtschule West, seit Jahren ist sie abgeordnet zur Volkshochschule und arbeitet als Dozentin. Im Sommer des vergangenen Jahres erhielt sie ein paar Blatt Papier zugespielt: eine präzise Beschreibung dessen, was sie in den ersten Tagen des Monats gemacht hatte. Das klingt etwa für den 2. Juni, gegen Mittag, so: „P1 trägt ein langärmeliges, gestreiftes weißblaues T-Shirt und Jeans. ... Wir sind jetzt auf dem Beginenlande. Achtung. P 1 am Fahrrad. Fährt die alte Richtung zurück. Grobe Richtung Pro-Markt. Hält direkt vorn im Eingangsbereich. Schließt da Fahrrad ab.“ Gaby Trutz war sprachlos und konsterniert: „Das bin ich“, sagt sie. „Da haben wir immer Mittagspause. Da bin ich zum Pro-Markt gefahren, was kaufen.“ Das Protokoll ist in seiner Terminologie eindeutig: Polizeifunk. „P1“ ist die Hauptperson, die Ursache der Observation ist.

Über Tage wurde Gaby Trutz auf dem Weg zur Arbeit, von der Arbeit nach Hause, zum Kaufmann („..gehen in einen Obstladen“) beobachtet, akribisch notiert das Protokoll, wann sie abends das Licht ausmacht. Ihr Sohn trägt die Nummer „P-1-1“, sogar ein Besuch bei Saturn ist im Polizeiprotokoll festgehalten: („Sie sind an der Kasse und bezahlen“). Per Funk verabreden sich die Observeure einmal gegen 23 Uhr, daß sie am nächsten Morgen die Frühbesprechung um 7.50 ausfallen lassen und sich direkt im

Hinter der observierten Lehrerin hechelten die Beamten auf Billigrädern hinterher, kreuz und quer

8 Uhr „vor dem Objekt“, d.h. vor der Privatwohnung treffen. Sie kennen den Lebenswandel der Observierten genau und wußten auch schonmal, daß „P1 gestern mit einem Mann telefoniert“ hat.

Etwas belustigt stellt sich die passionierte Radfahrerin aus der Familie Kalkhoff vor, wie die Zivil- Beamten geschwitzt haben müssen: Gaby Trutz pflegt mit ihrem auffälligen Liege-Rad täglich -zig Kilometer kreuz und quer durch die Stadt zu radeln, auch mal falsch herum eine Einbahnstraße entlang. „Zu Saturn sind wir wie bekloppt gefahren“, erinnert sie sich zum Beispiel. Die Fahnder hatten dagegen nur einfache Räder. Mehrfach, so geht aus der der taz vorliegenden Abschrift des Polizeifunk-Protokolls hervor, mußten sie „Rad kaputt, Beule“ melden und zum „O 13“ schieben, das war offenbar ein Sammelplatz, an

Frau im

Liege-Rad

dem funktionstüchtige Fahrräder standen und die kaputten zur Reperatur abgegeben werden konnten. Die Beamten haben auch ihre Freizeit-Betätigungen teilweise über Funk vereinbart: „Wann beginnt die Comedy-Show? 20 Uhr. Wo? Schauburg im Steintor.“

Einmal hatte Gaby Trutz in diesen Tagen Besuch einer Freundin aus Süddeutschland. „Unter Berücksichtigung dessen, daß das Video-Band echt schlecht ist, müssen wir sagen, daß die Frisur hinkäme. Sowohl von der Frisur her als auch von der Länge. Wir würden tippen auf 70 Prozent, daß sie es ist.“ Die Besucherin wird auch weiter verfolgt: „Sie hat Gepäck dabei, einen Rucksack, ziemlich gefüllt...“ Und dann geht es „Schubertstraße, Bulthaupstraße, Gildemeisterstraße ...“ im Poli

zeiprotokoll genau zu der Stelle, wo die Freundin übernachtet hat. Die Polizeibeamten haben offenbar später einen besseren Blick gehabt: „Das ist definitiv nicht die Blonde aus der Mappe“.

Die ganze Observation war offenbar ein Wasserschlag: Gaby Trutz hat bis heute nichts von Ergebnissen gehört. Sie hatte auch damals im Juni keine Ahnung, was Anlaß der aufwendigen Polizeiaktion gewesen sein könnte, und den Grünen Abgeordneten Martin Thomas eingeschaltet. Der fragte beim Verfassungsschutz nach, bei der Polizei — das sei nichts gewesen, war die lakonische Antwort. Wenn auswärtige Dienste in bremen aktiv geworden wären, müßte man das wissen, versicherte der Verfassungsschutz.

„Ich will wissen, wer das war“, sagt Gabi Trutz. „und was das soll. Und ob man das darf.“ K.W.