Vom Bürgerkrieg in den Bunker

■ ÄrztInnen kritisieren menschenunwürdige Bedingungen im Flüchtlingsbunker

Leben im Bunker: kein Tageslicht, aber viel HeißluftFoto: Katja Heddinga

Unter menschenunwürdigen Verhältnissen müssen rund neunzig AsylbewerberInnen in einem Bremer Bunker leben. Darauf wies gestern die Klinikinitiative gegen Ausländerfeindlichkeit und Fremdenhaß hin. Sie hatte am 23. Dezember den Bunker mit zwanzig ÄrztInnen besucht. Die Stadt hat in dem Gebäude am Sebaldsbrücker Bahnhof unter anderem siebzig Kriegsflüchtlinge aus dem

Mann auf Bett

im Bunker

ehemaligen Jugoslawien untergebracht.

Eine ärztliche Untersuchung ergab, daß die Mehrzahl der BewohnerInnen erkrankt ist. Hierbei handelt es sich nach Informationen der ÄrztInnen überwiegend um Erkrankungen der Atemwege, des Magens und Entzündungen der Augen. Weiterhin sind zahlreiche psycho-soziale Erschöpfungszustände diagnostiziert worden. Die Krankheiten seien durch die Lebensbedingungen der Menschen verursacht worden.

In den Räumen gibt es nicht das geringste Tageslicht. Trotz Umluftanlage ist die Luft sehr trocken und heizungswarm. Besonders im zweiten Stock des Bunkers nimmt die Wärme bedenklich zu. Die Neonlampen brennen in den Räumen ununterbrochen.

Gujo Selimovic ist mit seiner Frau Murga aus Sarajevo geflüchtet. Das Ehepaar stellte am dritten November einen Asylantrag. Sie leben jetzt mit ihrem inzwischen geborenen Baby auf dem grünen Betonfußboden des Bunkers. Das Baby liegt in Decken eingehüllt in der Ecke. Hinter der Wand ist die Toilette, die Toilettengeräusche sind deutlich zu hören. Die Betten in dem Raum sind so schmal, daß das Ehepaar oder Mutter und Kind kaum darin schlafen können. Das zweiundzwanzig Tage alte Baby ist erkrankt und von dem Bremer Kinderazt Friedrich Steiner behandelt worden. Mit einem Attest des Arztes versuchte der Vater nach eigener Aussage mehrmals auf dem Amt für Soziale Dienste eine andere Unterbringung zu erreichen — erfolglos.

Andrea Frenzel-Heiduk, Sprecherin der Senatorin für Gesundheit, Jugend und Soziales betont dagegen, daß der Frau eine andere Unterkunft angeboten wurde.

Rosa Halilovic floh mit ihrer Familie aus Titograd und beantragte am zwölften November Asyl. Obwohl sie aufgrund der schlechten Luft wegen Übelkeit und Erbrechen schon dreimal im Zentralkrankenhaus-Ost behandelt werden mußte, bringt die Stadt sie weiter im Bunker unter.

Grundlage für die Bunkerunterbringung ist ein Senatsbeschluß gegen die Stimmen von Ralf Fücks und Irmgard Gaertner (Helga Trüpel war nicht dabei). Eine Turnhallenbelegung war dabei abgelehnt worden. Im November mußten allein 364 AsylbewerberInnen untergebracht werden. Das Zeltlager am Stadtwerder wurde unterdessen aufgelöst. Der Bunker an der Kornstraße soll in Kürze belegt werden, er wird für 100.000 Mark umgebaut.

Das Hauptgesundheitsamt kritisiert seit langem die Unterbringung von AsylbewerberInnen in Bunkern. Heinz-Jochen Zenker und Heinrich-Georg Hohmann legten Mitte August beim runden Tisch aller beteiligten Verbände und Behörden ein Konzept zur Unterbringung vor. Darin werden Bunker, Lagerhallen und Fabrikgebäude als Unterbringungsmöglichkeiten grundsätzlich abgelehnt. Ein Bodenbelag aus Fliesen oder Holz und eine „ausreichende Tageslichtbeleuchtung“ sollten gegeben sein. Eine Abstimmung über das Konzept steht kurz bevor.

Sozialbehörde und Arbeiterwohlfahrt verweisen auf fehlende Alternativen. Außerdem sei der Betreuungsschlüssel von 2,5 MitarbeiterInnen je 100 Menschen erfüllt. Die Stadt bemühe sich, die Bunkerzeit auf vier Wochen zu begrenzen. Marc Wiese

D