Durchs Dröhnland
: Bukowski contra Camus

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Fast jede gute Popmusik kam zu ihrer Zeit ursprünglich aus den Ghettos, auch wenn diese früher vielleicht Arbeiterviertel hießen. Das war damals bei Rhythm & Blues nicht anders, als es heute mit HipHop der Fall ist. In dieser Hinsicht ist es überaus passend, daß Stormy Monday im Ruhrgebiet ansässig sind, auch wenn die Zeiten, in denen R&B noch Pop war, lange vorbei sind. Der Ansatz der achtköpfigen Kapelle muß mit dem Abstand der Jahrzehnte akademischer sein. Trotzdem finden sie den schmalen Grat zwischen Stimmung und Authentizität, die vor allem durch eine langjährige Zusammenarbeit mit der Legende Louisana Red gesichert wird. Musikalisch hervorstechend ist ihr sicheres Gespür, wann ein Blues zu langsam wird, die Stimme von Tom Willemsen nicht mehr trägt und die zackigen Bläsersätze nötig werden. Die Bläsersektion kann in Schneid und Schärfe mit jeder amerikanischen Funk-Combo mithalten und wird sogar in normale Rocker und countrybeeinflußte Stücke ohne Brüche eingebaut. Und manchmal schmecken Stormy Monday genauso dreckig und schweißig wie Southside Johnny, als er seine Seele noch nicht an Steve Van Zandt und den Springsteen-Groove verkauft hatte.

Am 8.1. um 22 Uhr im Franz, Schönhauser Allee 36-39, Prenzlauer Berg

Das K.O.B. veranstaltet in diesen allseits betroffenen Zeiten ausgerechnet ein Benefiz für sich selbst, weil „wir so gut zu den Menschen sind“, wie der Veranstalter grinsend meint, und der Laden an den sonstigen Konzerten nichts verdient. Zum üblichen Dumping-Eintrittspreis heute drei Berliner beziehungsweise Potsdamer Bands, allesamt natürlich kommende Lokalgrößen – mindestens: Nossty, Friends of Barney und Phoney Little Fakes.

Am 8.1. um 22 Uhr im K.O.B., Potsdamer Str. 157, Schöneberg

Es gibt welche, die halten sie für die letzte aufrechte Polit- Punk-Band Berlins, andere finden sie nur nervtötend. Sie heißen !Aaargh! und spielen zusammen mit Bell' Laut, die ebenfalls politisch schwer korrekt sein sollen. Beides gibt es für den konkurrenzlos billigsten Eintrittspreis der Stadt zu hören. Mit fünf Mark sind Sie dabei.

Am 9.1., 21.30 Uhr im Schoko- Laden Mitte, Ackerstr. 169/170

Justin Broadrick, Gitarrist und Kopf von God, war anno dunnemals Gründungsmitglied von Napalm Death. Wenn man seine jetzige Band hört, weiß man sofort, warum er die Death-Metal-Könige verlassen hat. God suchen auf dem Grundgerüst, das die modernen Spielarten des Metal so bietet, die Erweiterung zum Jazz, aber sie bauen nicht nur die Struktur des Jazz ein, sondern teilweise auch dessen Instrumentierung. So finden sich Klarinetten, Saxophone oder Pianos über wild tobenden Gitarren und mörderischen Trommelschlägen. Gerne tut bei Plattenproduktionen auch John Zorn mit und dokumentiert damit auch, wohin sich der Avantgarde-Jazz teilweise entwickelt. God stehen der Knitting Factory näher als den alten Kumpels mit den wallenden Haaren – zumindest musikalisch.

Am 10.1., 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

„Trommelfieber“ war ein offenes, wöchentlich stattfindendes Projekt. Man traf sich in wechselnden Clubs – hauptsächlich Percussionisten, aber auch Vokalisten, oft Bläser und andere Instrumentalisten — und entwickelte aus dem Rhythmus heraus die Musik, ging also ganz afrikanisch auf die Suche. Zuerst die Trance und dann der Song. Abdourahmane Diop und die Griot- Music-Company gingen aus diesem losen Zusammenspiel, das von Diop initiiert war, hervor und existieren seit gut einem Jahr. Natürlich ist diese Musik kompakter, zusammengefaßter, dafür sorgt schon das feste Ensemble, trotzdem bleibt zwischen den von westafrikanischen Trommeln beherrschten Rhythmen noch ausreichend Platz für sanfte Ausflüge in den Jazz.

Am 14.1. um 22 Uhr im Franz

EyeHateGod ist eine Reflexion unserer kranken, degenerierten Gesellschaft und der Art, mit der einige Individuen mit der Realität der Gewalt, Sucht, Sklaverei, Liebe, Ignoranz, Haß oder Autorität umgehen“, spricht das Info zur letzten LP der aus New Orleans stammenden Doom-Metal-Band. Womit wieder einmal aktenkundig wird, daß Metaller sich nicht mit ihrem platschblöden Image zufriedengeben wollen. Der Unterschied zu klassischer intellektueller Musik, sagen wir mal zum Beispiel Folk, ist hauptsächlich der, daß in guten modernen Metal-Texten die Wirklichkeit noch dreckiger dargestellt wird, als sie schon ist (wenn das überhaupt möglich ist), mal parodistisch übersteigert oder einfach nur beim schmutzigen Namen genannt. Der Folk dagegen versucht über die Darstellung hinauszugehen, zu analysieren, so gut es eben geht. Dafür lebt der Metaller – so will es das Klischee – selbstzerstörerisch, vollführt Drogen- und andere Exzesse, während der Folker per bewußter Ernährung wenigstens sich selbst vor der Apokalypse retten will. Hier stehen sich Depression und Optimismus aus den selben Beweggründen gegenüber, oder Bukowski und Camus, wenn man so will. Musikalisch sind EyeHateGod nicht extremer als andere Bands des Genres, sie streuen versiert moderat schnelle Passagen in ihre dekadent schleppenden Doom-Stücke, der Sänger kotzt Galle, und der Zuhörer kann sich besser fühlen, weil es immer aufbaut, wenn man jemanden trifft, der noch beschissener dran ist. Außergewöhnlich an EyeHateGod ist vor allem das bereits erwähnte Bestehen auf dem Recht, sich möglichst schnell zu verbrauchen, eine Haltung, die auch im Metal – wenn man mal vom Bier absieht – schon etwas aus der Mode gekommen ist. Die Verbindung zum Hauptact besteht in der gleichen Herkunftsstätte New Orleans, aber Crowbar spielen eindeutig Trash- und Speed-Metal. Ihr Übungsraum befindet sich in einem alten verfallenen, von Kakerlaken bevölkerten Lagerhaus, und sie bestehen darauf, daß diese Atmosphäre in ihrem Sound zum Ausdruck kommt.

Am 14.1. um 21 Uhr in Huxley's Neuer Welt, Hasenheide 108-114, Kreuzberg

Thomas Winkler