Drei Frauen im Wohnzimmer

„Die Präsidentinnen“ in der Werkstatt des Schiller Theaters  ■ Von Margit Knapp Cazzola

„Die Präsidentinnen“ von Werner Schwab ist ein reduziertes Kammerspiel. Drei Frauen, drei Themen: Gott, Sex, Fäkalien. Mariedl, die jüngste, wühlt am liebsten in verstopften Klos, die beiden älteren, die „Präsidentinnen“, plagen Geiz, Katholizismus, verdrängte Lust und reaktionäres Denken. – Wie es eben so ist in Österreich – woher Autor und Regisseur kommen.

Doch Regisseur Markus Völlenklee setzt nicht auf Realismus, und so bleibt das Stück merkwürdig entfernt vom Leben im Alpenland und anderswo. Das spezifisch Österreichische beschränkt sich auf das Vokabular, auf die blöde Blunz'n und den blonden Pepi. Dadurch erhöht sich vorerst die allgemeine Komik der perfekt durchgestylten Anfangsszenen. Erna, die Älteste, trägt die hohe Pelzmütze, ihren ganzen Stolz, wie ein Krone auf dem Kopf, Grete hat die Haare fast genauso hoch toupiert, die verrückte Mariedl spielt mit einer weißen Maus. Die sparsamen Andeutungen der näheren Umstände überhöhen die Szene ins Skurrile. Die drei Damen, die sich zum Plaudern und Fernsehen – zur Übertragung des Papstsegens aus Rom – zusammengefunden haben, wirken selbst wie ein Bild, während die auf das Publikum gerichtete Fernsteuerung wiederum kurz den Zuschauerraum zum Bildschirm macht.

In der „Präsidentinnen“-Inszenierung von Anselm Weber in Frankfurt spielte der sprachliche Umgang mit Wirklichkeit eine zentrale Rolle – die Sätze wurden zur Einleitung heruntergespult, zerlegt, montiert. In Berlin hingegen steht das Bildhafte im Vordergrund. So sitzen die Präsidentinnen in der zweiten Szene auf gigantischen Stühlen, sie trinken aus riesigen Weingläsern und hängen ihren Machtphantasien nach – vom Fleischer Wotila als glühendem Verehrer, oder vom Pfarrer, der Gulasch und Bier im Klo versteckt, um Mariedl eine Freude zu machen. Denn Mariedl zieht mit bloßen Händen alles aus den verstopften Toiletten heraus, auch wenn es noch so fest im Scheißdreck steckt. Das Gulasch ißt sie (phantasiert sie).

Während die drei Weiber in Frankfurt zutiefst böse, giftig und verrückt waren, bleiben sie in Berlin harmlos. Die Dürftigkeit des Stücks wird dadurch um so deutlicher. In Frankfurt grauste es einem vor den Präsidentinnen, in Berlin graust es einem vor verstopften Klos.

Mit den Bildern, die sie entwerfen, und den Sprüchen, die sie klopfen – mehr noch, aus denen sie bestehen –, kann man ein paar Lacher ernten, und das tun Lieselotte Rau als Erna und Ursula Karusseit als Grete mit aller gebotenen Professionalität – mehr nicht.

In der allzu distanzierten Inszenierung, die am Anfang so witzig ist, stimmt dann das ganze Ende nicht. Denn da erhebt das verrückte Mariedl – Sabine Orléans, die ihre Rolle sinnlich spielt – plötzlich Anklage gegen die beiden Älteren, dafür wird ihr die Kehle durchgeschnitten. Denn an die Beziehung zu ihren Kindern wollen sie nicht erinnert werden, an überhaupt nichts, was schiefgelaufen ist in ihrem Leben.

Hier ist das Ende der Sackgasse, in die die schöne ruhige Komik der vorangegangenen Streitszene führte, in der sich Erna und Grete Pelzmütze und Haarteil vom Kopf rissen, so unbedrohlich, als würden sie an einem Kurs für Ausdruckstanz teilnehmen.

Wo keine Emotionen aufgebaut werden, können auch keine ausbrechen, das Stück versandet im Belanglosen.

Auch der abstrakte Raum, die schwarzen Wände des Wohnzimmers, helfen nicht, den Meisterinnen der Verdrängung Kontur zu verleihen. Bigotterie, sexuelle Verklemmtheit, Eifersucht, faschistoide Kleingeisterei sind die allzu austauschbaren Paradigmen des dargestellten Seelentums.

Eine Inszenierung, die nicht das Böse in den „Präsidentinnen“ ausspielt und verstärkt, kann vielleicht nicht wettmachen, was der Autor zu beliebig und unpräzise darstellt. Das Milieu, in dem sich die „Präsidentinnen“ bewegen, ist zu schwach gezeichnet, als daß man mit einer zurückgenommenen, neutralen Figurenführung mehr als flüchtige Komik erreichen könnte.

Schiller Theater Werkstatt: „Die Präsidentinnen“ von Werner Schwab. Regie: Markus Völlenklee, mit Lieselotte Rau, Ursula Karusseit, Sabine Orléans. Nächste Aufführungen am 9., 16. und 19. Januar.