Steckbriefe gegen angebliche "Nazi-Treffs"

■ Autonome stigmatisieren Jugendclubs auf Informationsblatt als rechte Einrichtungen / Einige Angaben frei erfunden / Jugendstadträte und Senatsverwaltung empört

Berlin. In autonomen Kreisen kursiert seit längerer Zeit eine Liste mit angeblichen „Treffpunkten von Faschisten“, die erheblich zur Eskalation der Gewalt zwischen linken und rechten Gruppen in der Stadt beitragen könnte. Die Liste, die der taz vorliegt, wurde als gelbes Informationsblatt am Rande der bundesweiten Antifa-Demonstration am 5. Dezember in Berlin in Umlauf gebracht. Unter den 25 mit Namen, Adresse und Bezirksangabe aufgeführten, vermeintlichen „Nazi“-Treffpunkten sind auch mehrere Jugendclubs genannt. Die von der taz darauf hingewiesenen Jugendstädträte verwahrten sich gestern ganz entschieden gegen eine solche Stigmatisierung ihrer Jugendclubs. Zudem stellte sich heraus, daß einige der aufgelisteten Jugend-Einrichtungen überhaupt nicht existieren. Auch der Staatssekretär der Senatsjugendverwaltung, Klaus Löhe, verurteilte das „Hantieren mit solchen selbestgefertigten Steckbriefen“ gestern aufs schärfste. „Hier werden mit dem Totschlagargument: ,Das ist ein Nazi oder dort treffen sich Nazis‘, Häuser, Einrichtungen und damit auch die Menschen, die sich dort aufhalten, zum gewaltsamen Angriff freigegeben.“

Auch wenn die unbekannten Verfasser des „Informationsblattes“ nicht explizit zu einem Überfall auf die genannten Kneipen, Imbißbuden, Discotheken und Jugendclubs auffordern, ist die Zielrichtung doch eindeutig. „Diese Liste“, so heißt es im Text, „zähle Orte auf, an denen sich in der letzten Zeit regelmäßig Nazis getroffen haben.“ Einschränkend wird zwar darauf hingewiesen, daß „das gesamte Publikum dort nicht immer aus Nazis“ bestünde, und auch nicht, daß „WirtIn, BetreiberInnen, SozialarbeiterInnen grundsätzlich dahinterstehen“. Dieser Hinweis wird im nächsten Satz jedoch gleich wieder damit relativiert, daß man „natürlich Rückschlüsse auf die Einstellung der BetreiberInnen“ ziehen könne, wenn in deren „Etablissement ständig Rechte abhängen, ohne das sie irgendwelche Aktivitäten dagegen einleiten“.

„Wer so eine Liste verbreitet“, sagte der Lichtenberger Jugendstadtrat Wolfgang Powierski(SPD), „sorge für eine weitere Eskalation der Gewalt“. In den genannten Jugendfreitzeitstätten würden „ganz normale Jugendliche“ verkehren, somit natürlich auch rechtseingestellte Mädchen und Jungen. „Die Einrichtungen sind grundsätzlich offen für alle Jugendlichen, wir können doch nicht an der Tür ihren Schädel öffnen, und gucken sind sie rechts oder links“. Als böse Verleudmung bezeichnete Powierksi die in der Liste aufgestellte Behauptung, die Jugendlichen eines genannten Clubs hätten einen Bombenanschlag auf ein in der Nähe geplantes Flüchtlingsheim verübt. Der Köpenicker Kulturstadtrat, Dirk Retzlaff (PDS) stellte fest, daß sich die Verfasser der Liste offensichtlich überhaupt nicht mit den Gegebenheiten vor Ort auseinandergesetzt hätten. Andernfalls hätten sie festgestellt, daß der in der Liste genannnten Club seines Bezirk keineswegs ein „Treffpunkt von Faschisten“ sei, sondern dort im dort im Gegenteil eine sehr sensible Arbeit gemacht würde. Jugendstaatssekretär Klaus Löhe betonte, nicht Ausgrenzung sondern Integration und Kommunikation seien das Leitmotiv der Berliner Jugendpolitik. Plutonia Plarre