Somalia-Gespräche bei Kaviar und Reggae

■ Die ursprünglich auf zwei Tage angesetzte Friedenskonferenz in Äthiopiens Hauptstadt ging gestern in ihren vierten Tag / Warlords schwelgen im Jahrmarkt der Eitelkeiten / Kämpfe zwischen USA und...

Addis Abeba (wps) – Als Aweys Jussuf, Delegierter der Somalia-Friedenskonferenz in Addis Abeba, auf dem Flughafen eintraf, gab es für ihn keinen roten Teppich. „Sie nahmen unsere Pässe weg und tasteten uns ab wie Kriminelle“, klagte der Vertreter des somalischen „Interimspräsidenten“ Ali Mahdi. „Ich dachte: Irgendwie haben wir das verdient, nach allem, was mit unserem Land passiert ist. Aber es verletzte. Unser Stolz ist vernichtet. Wir müssen ganz von vorn anfangen. Vielleicht ist dieses Treffen ein Anfang.“

Das Treffen, offiziell eine Vorbereitungsrunde zwischen allen somalischen Kriegsgegnern zu einer Nationalen Versöhnungskonferenz, sollte eigentlich spätestens Dienstag zu Ende gehen. Aber gestern gingen die Gespräche in ihren vierten Tag. UNO-Generalsekretär Butros Ghali ist schon längst wieder abgereist.

Als erstes war es zum Streit um die Sitzungsleitung gekommen: Sollte es General Aidid machen, der stärkste warlord Somalias? Oder Ali Mahdi? Oder General Morgan, Verwandter und Anhänger des Ex-Diktators Siad Barre? Oder sollte es einen rotierenden, stündlich wechselnden Vorsitz geben? Und sollte die Rotation nach Alter gehen? Oder alphabetisch?

Nach der Klärung dieser Frage, die den Großteil des Montags in Anspruch nahm, ging es um Themen wie Entwaffnung – kleinere Fraktionen wollten eine allgemeine Entwaffnungsbereitschaft, aber vor allem General Aidid war dagegen – und die Frage, wie man Boykotts einzelner Verhandlungssitzungen durch einzelne Delegationen verhindern könnte. Die Barre-Parteigänger und die „Demokratische Rettungsfront“ (SSDF) aus Nordostsomalia waren der Eröffnungssitzung ferngeblieben. Später führte der Auftritt eines Vertreters der eigentlich offiziell gar nicht anwesenden „Republik Somaliland“ zu Verwirrung.

Am Mittwoch ging es darum, ob die angepeilte Versöhnungskonferenz tatsächlich, wie geplant, bis März einberufen werden könnte. General Aidid schlug einen Aufschub auf Juli vor, bis nach einem Waffenstillstand und der Etablierung von Lokalverwaltungen. Die anderen Teilnehmer sahen die Versöhnungskonferenz aber als Vorbedingung für solche Schritte und wollten einen Konferenztermin spätestens im April. Schließlich fand sich Aidid in der Minderheit wieder. Am Mittwoch abend wurde der Apriltermin öffentlich bekanntgegeben.

Gestern sollte nun dennoch über einen Waffenstillstand verhandelt werden. Außerdem sollten, wie bei Konferenzen üblich, Ausschüsse eingesetzt werden – um die nächste Konferenz vorzubereiten: Stoff für endlose weitere Diskussionen.

Zur Erholung gibt es zwischendurch Cocktail-Parties unter den Kronleuchtern des Hilton-Hotels. Vor Tischen voller Kaviar und Lachs, mit Reggae-Musik im Hintergrund, stellen sich die Warlords der Presse. „Ich bin ein Mann des Friedens“, sagt General Aidid mit treuherzigem Augenaufschlag einer BBC-Filmcrew. Die wollte wissen, ob er ein troublemaker sei. Aidid lächelt: „Das muß Ihnen einer meiner Feinde gesagt haben.“ Jennifer Parmelee

Kämpfe in Mogadischu

Mogadischu (AP) – Die US-Truppen in Somalia sind gestern zum offenen Angriff auf Einheiten einer somalischen Bürgerkriegspartei übergegangen. Augenzeugen berichteten, eines der Angriffsziele sei ein ehemaliges Kriegsschulgebäude gewesen, in dem General Aidid Waffenlager angelegt habe. Die Raketenangriffe begannen im Morgengrauen, später wurden US- Kampfhubschrauber auf Patrouillenflügen über der Stadt beobachtet. Oberst Fred Peck berichtete, die US-Marineinfanterie habe zuvor von den Truppen Aidids verlangt, sie sollten ihre gepanzerten Fahrzeuge und die Artillerie aus dem Norden von Mogadischu abziehen, doch habe die Gegenseite dies verweigert. Augenzeugen sprachen vom massivsten Angriff der internationalen Interventionstruppe seit ihrem Einmarsch am 9. Dezember. Ali Mohammed Aden, Sprecher des Kinderhilfswerks Unicef, berichtete, es sei zu Gefechten zwischen Somaliern und den angreifenden Amerikanern gekommen.