■ Mit Israels Aufschwung auf du und du
: Wirtschaftsfrühling

Tel Aviv (dpa/taz) – Ein Gang durch die Straßen von Tel Aviv macht es deutlich: Israels Wirtschaft boomt. Der Andrang in den Geschäften der Innenstadt ist groß, obwohl der Winterschlußverkauf noch auf sich warten läßt. Die Straßen sind verstopft: 121.357 neue Autos haben die Israelis angeschafft – 42 Prozent mehr als im Vorjahr. Nach Jahren der Rezession ging es nach dem Regierungswechsel im letzten Sommer bergauf – und ein Ende des Aufschwungs ist nicht abzusehen.

Auch die wirtschaftlichen Kennziffern, die die Statistiker in dieser Woche veröffentlicht haben, belegen den wirtschaftlichen Frühling. So zog die Börse in Israel mit einem Kursgewinn von 96 Prozent im Jahresverlauf an allen anderen Weltbörsen vorbei. Selbst bereinigt um die rund zehnprozentige Inflation lag der Erfolg noch weit vor den Wertpapiermärkten von Hongkong (plus 27 Prozent), der Schweiz (25 Prozent), Großbritannien (14 Prozent) oder den USA (4,5 Prozent).

Positiv entwickelte sich auch das Sozialprodukt, das mit einem Wachstum von 6,4 Prozent weit über den Raten der USA (plus 2,1 Prozent), Deutschlands (plus 1,3 Prozent) oder Japans (plus 1,8 Prozent) lag. Der Export kletterte um elf Prozent, und die Inslandsnachfrage nahm um 6,3 Prozent zu. Dem israelischen Staat bescherte der Boom ebenfalls vollere Kassen – elf Prozent mehr Steuern nahm der Staat ein. Von der wirtschaftlichen Entwicklung profitieren auch Unternehmen, die noch vor kurzer Zeit von der Rezession geplagt wurden. So machte der Koor-Konzern, der noch vor vier Jahren von Regierung und Banken vor einem Milliarden-Dollar-Bankrott gerettet werden mußte, 1992 Gewinn. An der Arbeitslosenquote von rund zehn Prozent allerdings hat der Aufschwung bisher nichts geändert.

Als Grund für den Boom sehen Experten das wachsende Interesse ausländischer Investoren nach dem Regierungswechsel. Auch die niedrigen Zinsen hätten eine Rolle gespielt. Wichtig war die Zuwanderung Hunderttausender Menschen aus Rußland, Osteuropa und Äthiopien in den letzten Jahren. Neben der Zehn-Milliarden- Dollar-Kreditspritze aus Washington für die Infrastruktur habe auch die Einschränkung der staatlichen Ausgaben für Siedlungen in den besetzten Gebieten positiv zu Buche geschlagen. Andy Goldberg