Brasilien: Schöne Banknoten als Exportschlager

■ Inflation erfordert Spitzentechnologie beim Drucken von Geldscheinen

Rio de Janeiro (taz) – Was wären die Brasilianer ohne ihre Inflation? Sie würden immer noch umständlich mit Münzen hantieren, statt schlicht und ergreifend das Scheckheft zu zücken. Das Schreckgespenst der Geldentwertung animiert die Südamerikaner zu erstaunlichen Höchstleistungen. Statt für teure Devisen Banknoten aus dem Ausland einzuführen, produziert Brasilien seit knapp 30 Jahren seine eigenen Geldscheine und avancierte obendrein zum wichtigsten Geldexporteur Lateinamerikas.

Die Inflation zwang die Brasilianer nicht nur dazu, ihre eigenen Banknoten anzufertigen, um dem Bedarf der ständig wachsenden Geldmenge gerecht zu werden. Sie forderte von den Graphikern und Zeichnern des nationalen Geldinstituts in Rio de Janeiro, der „Casa da Moeda“, zudem ungeheure Kreativität. Seit der Eröffnung der Druckerei im Jahr 1968 wurden insgesamt 34 verschiedene Scheine herausgegeben. Vierzehn Banknoten wurden davon allein in den letzten fünf Jahren entworfen.

„Das ist der positive Aspekt der Wirtschaftskrise. Wir sind darauf trainiert, in kürzester Zeit Noten herzustellen“, erklärt Joao Leitao, Leiter der Graphik in der „Casa da Moeda“. Für überraschende Währungsreformen hält der Künstler immer eine sogenannte „Cedula padrao“, einen Musterschein, parat. Dabei bleiben die Offsetvorlagen unverändert, nur für die aktuellen Zahlen muß ein neues Klischee angefertigt werden. Brasilien ist somit das einzige Land in der westlichen Wirtschaftswelt, das innerhalb eines Monats einen neuen Geldschein auf den Markt bringen kann.

Normalerweise brauchen die brasilianischen Experten etwa ein halbes Jahr, um eine neue Note zu entwerfen. In den USA und Europa dauert dies im Durchschnitt zwei Jahre hin. Die Lebensdauer der Cruzeiros ist jedoch extrem kurz: nach zwei Jahren hat entweder die Inflation oder die Abnutzung den Schein zu einem wertlosen Stück Papier gemacht.

Um die notwendige Geldmenge auf dem Markt zu sichern, bringt die „Casa da Moeda“ in Rio im Jahr rund zwei Milliarden Scheine mit zwei bis drei Motiven in Umlauf. Die Produktionskosten für ein Bündel von tausend Banknoten liegen zur Zeit in Brasilien bei 30 Dollar. Zwei Drittel davon beansprucht das hochwertige Papier, ein Gemisch aus Baumwollfäden und Zellulose. Auf dem lateinamerikanischen Kontinent ist Brasilien damit Spitzenreiter. Nur China, die USA und Indonesien drucken mehr Geldscheine.

Die Geldentwertung und die damit verbundende Kurzlebigkeit der Scheine führt jedoch nicht zur Nachlässigkeit oder Einfallslosigkeit bei dem höchst komplizierten Produktionsverfahren. Im Gegenteil: Die Schönheit brasilianischer Banknoten, häufig mit Motiven aus der üppigen Natur des Landes oder der Volkskunst versehen, sind ein Stück Nationalstolz. „Gerade weil er nichts wert ist, muß der Schein nicht nur fälschungssicher, sondern auch schön sein“, meint Entwicklungschef Carlos Roberto de Oliveira. Die Brasilianer hätten Freude daran, ihre Kultur weltweit vorzuführen.

Die durch die Inflation hervorgerufene Mischung aus Akribie und atemberaubenden Produktionstempo hat die Gelddruckerei zu einem einträglichen Geschäft für Brasilien gemacht. Die „Casa da Moeda“ exportiert Banknoten nach Bolivien, Kolumbien, Peru, Äquador, Uruguay, Paraguay, Costa Rica, Venezuela, in den Jemen, die Vereinigten arabischen Emirate, Kenia und die Dominikanische Republik. Außerdem werden in Rio Briefmarken und Pässe für verschiedene afrikanische Staaten gefertigt. Daß Brasilien auch in Zukunft keine Angst um diese Führungsposition zu haben braucht, beweißt ein Blick in die Statistik: im Dezember 92 betrug die Inflationsrate 25 Prozent, für Januar sind 27 Prozent vorausgesagt. Wenn Brasiliens neuer Präsident Itamar Franco in den nächsten zwei Jahren die monatliche Inflation unter die 20-Prozent- Marke drücken könnte, wäre das bereits ein Erfolg. Seinem Vorgänger Fernando Collor gelang dies trotz zweier Wirtschaftsschocks und einer brutalen Rezessionspolitik nicht einmal innerhalb von drei Jahren. Astrid Prange