Kinkel: Keine Zeit für SPD-Gespräche

■ Verhandlungen mit der SPD über Grundgesetzänderung vertagt/ CDU/CSU zu Verfassungsänderung bereit/ Union und FDP einigten sich auf Klageerwiderung

Bonn (taz) – Eine Einigung zwischen der Regierungskoalition und der SPD-Opposition über mögliche Bundeswehreinsätze außerhalb des Nato-Gebietes ist immer noch nicht in Sicht. Gestern ließ Außenminister Klaus Kinkel (FDP) ein von ihm für den 11. Januar einberufenes Gespräch zwischen CDU/CSU, FDP und SPD absagen. Während SPD-Bundesgeschäftsführer Karlheinz Blessing den Grund der Absage in Differenzen zwischen Union und Freidemokraten vermutete, begründete Kinkel diesen Schritt mit Terminproblemen. Das Treffen sei nicht abgesagt, sondern lediglich auf einen noch unbestimmten Termin in der nächsten Woche verschoben worden.

Damit steht der Außenminister auf alle Fälle mit leeren Händen vor UN-Generalsekretär Butros Butros Ghali, der am Sonntag abend zu einem dreitägigen Besuch in Bonn eintreffen wird. Der Außenminister hatte die SPD ursprünglich mit der Begründung zu Gesprächen eingeladen, man müsse dem Generalsekretär über den Einsatz deutscher Soldaten im UNO-Auftrag „etwas sagen können“. Butros Ghali wird in Bonn mit Kinkel und Bundeskanzler Helmut Kohl, sowie mit den Fraktionschefs von CDU/CSU, FDP und SPD zusammentreffen.

Der UN-Generalsekretär wird sich dabei voraussichtlich auch mit den Differenzen zwischen Union und FDP vertraut machen müssen, die auch in einer Koalitionsrunde am Mittwoch abend nicht beigelegt wurden. Die Unterhändler der Koalition einigten sich lediglich auf eine Formulierung, mit der die Bundesregierung einer Klage der SPD vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe erwidern will. Das Gericht muß über die Verfassungsmäßigkeit des Einsatzes deutscher Kriegsschiffe in der Adria entscheiden und wartet seit einigen Wochen vergeblich auf einen Schriftsatz der Bundesregierung.

Mit der gestern gefundenen Einigung könne die Klageerwiderung noch termingerecht nach Karlsruhe gehen, beteuerte gestern Kinkel. Wie es in FDP-Kreisen hieß, habe vor allem die Union Zugeständnisse gemacht. Anders als von ihr gewollt, liege das „Schwergewicht“ der verfassungsrechtlichen Argumentation der Bundesregierung nun auf dem Artikel 87 a des Grundgesetzes, der die Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr eng begrenzt. Danach dürfen die Streitkräfte außer zur Verteidigung „nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zuläßt“. Der Adria- Einsatz lasse sich mit diesem Artikel vereinbaren, da es sich um keinen Kampfeinsatz handele, behauptete man im FDP-geführten Justizministerium.

In der CDU/CSU-Fraktion hält man es für „möglich“, daß diese Begründung die Erfolgsaussichten der Bundesregierung in Karlsruhe verschlechtern könnte. Fraktionschef Wolfgang Schäuble habe sich in der Koalitionsrunde unzufrieden über die Kompromißformulierung geäußert, hieß es in der Unionsfraktion. CDU und CSU hätten es vorgezogen, wenn die Bundesregierung den Adria-Einsatz mit dem Artikel 24 des Grundgesetzes legitimiert hätte. Dieser Artikel bestimmt, daß sich der Bund zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen kann. Nach Auffassung der Union ist dies bereits der Freibrief für Bundeswehreinsätze im UNO Auftrag. Dennoch ist, wie gestern bekannt wurde, die CDU/CSU auf Druck von FDP und SPD inzwischen bereit, eine Verfassungsänderung vorzunehmen. Zu dieser Linie, von der die Union in den letzten Monaten abgekehrt war, habe sie bereits bei einer Koalitionsrunde am 23. Dezember zurückgefunden, hieß es im Außenministerium. Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) bestätigte gestern gegenüber der Nachrichtenagentur dpa, die CDU/CSU sei zu einer „verfassungspolitischen Klarstellung“ bereit. Die Frage von UNO-Einsätzen der Bundeswehr müsse „aus dem Streit herausgeholt werden“. Hmt