Melden: Wer wohnt wie?

■ Sozialhilfe-Empfängerin vor Gericht: "Eheähnliche Gemeinschaft" ist anzeigepflichtig

Melden: Wer wohnt wie?

Sozialhilfe-Empfängerin vor Gericht: „Eheähnliche Gemeinschaft“ ist anzeigepflichtig

Es ist überhaupt nicht Ihre Privatsache, wer bei Ihnen mit in der Wohnung lebt — egal, ob es die Liebste, der Bruder, die Oma, eine Studienkollegin oder ein Flüchtling ist. Jedenfalls nicht, wenn Sie Sozialhilfe beziehen: Sozialhilfe- EmpfängerInnen müssen dem Sozialamt von sich aus mitteilen, wenn jemand bei ihnen einzieht, sonst machen sie sich strafbar. Das Bremer Amtsgericht urteilte gestern, daß ein Zuzug einer Person auf jeden Fall zu einer Wohn- und Lebensgemeinschaft führt. Dabei ist es nach dem Richterspruch für die Meldepflicht beim Sozialamt unerheblich, ob sich der neue Mitbewohner an den Haushaltskosten beteiligt oder es sich um Freunde oder Verwandte handelt. Die Anzeigenplicht bleibe nach Meinung der Richter auf jeden Fall bestehen. Sinn der Sache ist eine Neuberechnung des Sozialamtes, in der geprüft wird, inwieweit sich die zugezogene Person an der Miete und Lebensunterhaltungskosten beteiligen muß. Um diesen Betrag wird dann die Sozialhilfe womöglich gekürzt.

Im vorliegenden Fall hatte die Staatsanwaltschaft Bremen gegen eine 37jährige Sozialhilfeempfängerin Klage wegen Betruges erhoben. Sie sollte fast zehntausend Mark Sozialhilfe zuviel erhalten haben, da sie ohne Wissen des Sozialamtes über zwei Jahre mit ihrem Freund zusammengelebt habe und in der Zeit die volle Sozialhilfe erhielt.

Der Mann wohnte zeitweise bei der Frau, hatte aber weder Möbel mitgebracht noch sich an den laufenden Kosten beteiligt. Er kaufte nur ab und zu Lebensmittel für den Haushalt ein. Er konnte der Sozialilfeempfängerin nach eigener Aussage kein Geld geben, weil er noch Unterhalt für seine drei Kinder aus erster Ehe geleistet habe und Schulden abbezahle. Die Frau hatte den Einzug nicht gemeldet, um ihren Freund nach Streitigkeiten leichter wieder hinauswerfen zu können.

Das Gericht verurteilte sie trotzdem wegen fortgesetzten Betruges zu einer Geldstrafe von 1.200 Mark auf Bewährung, weil sie die Meldepflicht nicht eingehalten hatte. Bei der Entscheidung setzte der Richter voraus, daß sie von ihem Freund Geld erhalten hätte, da zwei Menschen nicht von der Sozialhilfe leben könnten. Der Schaden betrage aber nur knapp zweitausend Mark, da sich der Freund in den zwei Jahren nur an den Mietkosten hätte beteiligen müssen.

Das Sozialamt fordert von der Frau dennoch die gesamte Sozialhilfe, die in der Zeit gezahlt wurde, zurück. Sie hat dagegen Klage eingereicht, eine Entscheidung ist in dem Verfahren noch nicht gefallen.

Marc Wiese