Bei der Bundeswehr geblitzt

■ Offizier gab jahrelang streng geheime Informationen über die Truppe weiter

Im Fotolabor der Bundeswehr hat ein heute 47 Jahre alter Offizier jahrelang Filme mit streng geheimen Informationen über die Truppe für den militärischen Geheimdienst der DDR entwickelt. Der aus dem niedersächsischen Landkreis Vechta stammende vierfache Familienvater muß sich seit Donnerstag vor dem 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle gegen den Vorwurf verteidigen, 26 Jahre lang „wertvolles“ Material über Mobilmachung, Ausrüstung und Alarmpläne der Bundeswehr an die „Verwaltung Aufklärung des Ministeriums für nationale Verteidigung“ (VA) in Ostberlin geliefert zu haben.

Mitangeklagter in diesem Prozeß ist ein 51 Jahre alter Wirtschaftsberater aus dem brandenburgischen Kreis Königswusterhausen. Er soll für den Offizier als Kurier und Einweiser in die Handhabung von Spionagewerkzeugen tätig gewesen sein. Beide Männer machten am ersten von voraussichtlich neun Verhandlungstagen Aussagen.

Noch nicht entschieden hat das Oberlandesgericht über einen zu Beginn des Prozesses gestellten Befangenheitsantrag des „Kurier“-Verteidigers aus Berlin gegen den gesamten 5. Strafsenat. Dieser hatte das Verfahren gegen einen von der Bundesanwaltschaft mitangeklagten DDR-Führungsoffizier abgetrennt. Das wertete der Anwalt als „Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes“.

Auf der Suche nach dem Motiv des zuletzt als Oberleutnant beim Panzerartilleriebataillon 315 im oldenburgischen Wildeshausen tätig gewesenen Hauptangeklagten beleuchtete das Gericht dessen Beziehung zu seinem Vater. Zu diesem hatte der als Kind von seiner noch lebenden Mutter in ein Waisenhaus abgeschobene Mann erst 1964 in Ostberlin Kontakt. Er habe „große Erwartungen und Hoffnungen“ an eine Beziehung zum Vater geknüpft, erklärte er. Daher habe er sich auch nichts dabei gedacht, als dieser ihn mit zwei DDR-Führungsoffizieren zusammenbrachte.

Die hätten ihm in einem Gespräch klargemacht, daß er „als Bundeswehrangehöriger etwas für die Friedenssicherung tun“ könne, wenn er ihnen Dienstgeheimnisse preisgebe. Finanzielle Motive will der Angeklagte nach seinen Angaben „keinesfalls“ gehabt haben. Laut Anklage soll er 120.000 Mark bezogen haben. Er habe „Angst gehabt, daß Vater und Halbbruder bei einer Weigerung Repressalien ausgesetzt“ sein könnten, gab er an.

Ausgebildet wurde der unter den Tarnnamen „Jürgen“ oder „Markus T.“ operierende Offizier unter anderem von dem Mitangeklagten aus Königswusterhausen. Empfang von Radiosendungen, Dokumentenfotografie, unsichtbare Briefe schreiben gehörten ebenso zum Programm wie das Benutzen von Deckadressen in Ostberlin und Halle oder das getarnte Weitermelden von Natoalarm an Essener und Bielefelder Telefonnummern. „Schnellgeber“ und elektronische Notizbücher modernisierten die Spionagearbeit zum Schluß, Filme wurden in Batterien, Schuhputzzeug und speziellen Hemdentaschen versteckt. Erst im April 1990 war der Offizier von seinen Auftraggebern per Rundfunk verschlüsselt aufgefordert worden, seine Arbeit einzustellen und alle Unterlagen zu vernichten. dpa