Mädchen in Uniform

Konflikte zwischen Reich und Arm beim Internationalen Volleyball-Turnier der Frauen in Bremen  ■ Von Jürgen Francke

Bremen (taz) – Zum 14. Mal baggern und schmettern hochklassige Frauenteams beim Bremer Internationalen Volleyball-Turnier um den Sieg – und um die Aussicht auf eine Menge Geld. Die Dotierung des Leichtbier-Pokals einer Bremer Brauerei nimmt sich zwar eher bescheiden aus (insgesamt 25.000 Franken), aber nach langem Hin und Her ist die Traditionsveranstaltung zu Beginn des Jahres in den Grand-Prix-Zirkus aufgenommen worden. Wer sich in Bremen qualifiziert, darf im Mai bei der Finalrunde in Südostasien teilnehmen. Bei diesem Weltliga-Spektakel geht es dann um eine Million Dollar. Das ist auch für Volleyball- Profis eine Menge Holz.

Für die Niederländerinnen zum Beispiel wäre das ein nettes Zubrot. Sie verdienen mit ihren Schmetterkünsten in Italien, USA und Deutschland erhebliche Summen. Je nach Standard sind das zwischen 40.000 und 150.000 Dollar pro Jahr. Dem holländischen Trainer Peter Murphy ist das nur recht. Viel Geld und ein professionelles Umfeld erhöhen die Motivation seiner Spielerinnen und damit auch deren Spielniveau. Seiner Meinung nach sollte die hierarchische Leistungspyramide im Weltvolleyball noch spitzer werden. „Je dünner es da oben wird, desto besser. Wenn es immer schwieriger wird, in die Weltspitze zu kommen, dann ist das gut für den Sport. Mit unseren Verbands-Sponsoren und den Geldgebern der Spielerinnen in den ausländischen Vereinen können wir diese Entwicklung fördern. Wenn Musiker hohe Gagen für ihre Kunst bekommen, dann sollen es die Volleyballerinnen auch.“

Von diesen Dimensionen können die Underdogs des Bremer Turniers, die Vertretung aus der Koreanischen Demokratischen Volksrepublik, nicht einmal träumen. Das junge Team aus dem Norden der koreanischen Halbinsel zeigt einmal mehr die krassen Gegensätze in der Weltspitze der Volleyballszene auf. Vor 20 Jahren waren sie das letzte Mal in West- Europa. Bei den Olympischen Spielen 1972 in München gelang ihnen sogar ein sensationeller dritter Platz gegen die Erzfeinde aus Südkorea. Doch das ist Schnee von gestern.

Heute muß schon eine Einladung vorliegen, damit sich Trainer Han Chol Sun mit seiner Delegation auf den Weg machen kann. Geld gibt es in Nordkorea zwar für Feiern des „Sonnengottes“ Kim Il Sung, der Volleyball-Sport ist in der Vergangenheit dagegen ins Abseits geraten. Vor dem Hintergrund von Lebensmittelrationierungen, einer zunehmenden Verelendung der Bevölkerung und den totalitären Herrschaftsstrukturen des stalinistischen Gruft-Systems sind die Spielerinnen sogar privilegiert. Sie haben genug zu essen, einen Platz zum Schlafen und einen Arbeitsplatz beim Militär.

Im Gespräch mit Trainer Sun erläutert der Dolmetscher, ein ehemaliger Südkoreaner mit deutschem Paß, mehr, als Sun selbst sagt. „Angst hat er“, sagt der Übersetzer. Zu Stellungnahmen oder gar dem Äußern von Perspektiven sei der Erfüllungsgehilfe des Sportministeriums auch gar nicht befugt. Immerhin, über das konsequente Auswahlverfahren schon im Kindesalter berichtet der Trainer. Von Mädchen in Uniform, die sich den Trainingsanzug überstreifen. Viele der Spielerinnen kommen vom Armee-Klub „25.April“. An diesem Tag im Jahre 1932 wurde das Nordkoreanische Militär gegründet.

Die jungen Frauen huschen schüchtern durch die Bremer Stadthalle. Anzusprechen sind sie nicht. In ihrem Land sind Auslandskontakte streng verboten. Zuhause sind sie kaserniert und werden bei Bedarf in andere Teams delegiert. Die Aussicht auf einen Trainerjob nach der Laufbahn hält sie außerdem bei der Stange – oder die (im Augenblick völlig unberechtigte) Hoffnung auf eine Olympia-Medaille. Dann winkt eine lebenslange Sportrente. Das durch den Verlust der ehemaligen Verbündeten nun restlos isolierte Nordkorea schmort auch sportlich im eigenen Saft vor sich hin. Die Reise nach Bremen wird den jungen Volleyballerinnen bestimmt ewig in Erinnerung bleiben. Diese Chance kommt so schnell nicht wieder. Sollten sie nämlich heiraten, ist die Sportkarriere perdu.

Ratz-Fatz geht es dann von der Umkleidekabine an den Herd. „So ist das in der Koreanischen Demokratischen Republik“, sagt Trainer Sun milde lächelnd.