Telegenes Bierchen zischen

■ Ich war dabei: Der Komparsenreport zu „Bistro – Bistro“

„Aus, Aus, Aus! Nein, so geht das nicht. Den ganzen Take noch mal von vorn. Und bitte, konzentriert euch!“ Die Stimme des Regisseurs, die über die Lautsprecher in jeden Winkel des Studios dringt, klingt leicht genervt. Kein Wunder, morgen ist Aufzeichnungstag der neuen ZDF-Serie „Bistro– Bistro“ und die Szene sitzt immer noch nicht.

Betriebsame Hektik kommt auf. Der Requisiteur stellt mir zum x-ten Male ein frisch gezapftes Bier hin. Alkoholfrei, zum Glück. Das muß ich, wie all die anderen Bierchen zuvor, telegen zischen. Auf Kommando. Schließlich bin ich ja Stammgast hier. Eingekauft als Komparse – Schwenkfutter sozusagen, wie manche Aufnahmeleiter sie despektierlich bezeichnen. Fürs Ambiente. „Eine Kneipe braucht ja schließlich Gäste.“ Dann geht es auch schon weiter: „Alles auf Anfang.“ Jeder konzentriert sich noch einmal, „Kneipenwirt Giorgio“ alias Uwe Fellensiek geht im Geiste noch einmal den Text durch. Man sieht es an seinen Lippen.

Vom Regisseur ein knappes: „Bitte!“, und los geht es: Bierchen kippen und tun, als ginge mich das Ganze vorne vor den vier Kameras nichts mehr an. Bin ja schon routiniert. Seit drei Folgen dabei. Nur ja nicht in die Kamera blicken. Das ist mein Job. Gage: 104 DM pro Tag, steuerfrei, nach Tarifvertrag. Nach acht Stunden Warterei gibt es Überstundenzulage. Eigentlich müßte es ja Gefahrenzulage geben. Befinde ich mich doch im StudioI des ZDF in München, Unterföhring, und abgedreht werden hier seit 10. Oktober 13 Folgen der Situationskomödie.

Das allein hätte schon Warnung genug sein müssen. Ich kann zwar so tun, als ginge mich das Ganze nichts an. Aber meine Ohren, die lassen sich leider nicht abschalten. Was die zu hören bekommen, wirft in mir immer wieder die Frage auf: Was machst du hier eigentlich? Ich bin ja kein Berufskomparse wie einige meiner Kollegen an den anderen Tischen des Bistros. Außerdem habe ich Glück. Während die anderen Statisten mehrfach aufgewärmte, aber – bis sie endlich vor ihnen auf dem Tisch stehen – doch wieder eiskalte Tortellini kamerawirksam vertilgen müssen, brauche ich nur Bier zu trinken. Auch dem Streß, sich zwischen den einzelnen Takes umziehen zu müssen, bin ich dank einer einfühlsamen Chefgarderobiere entflohen. Die hatte mich schon in der ersten Folge mitleidsvoll gemustert und erklärt: „Bleib einfach so, wie du bist. So ein Typ wie du, der geht doch mit seinen Klamotten noch ins Bett.“ Danke, ich war geschmeichelt, schließlich hat sie aus mir einen „Typen“ gemacht. Wahrscheinlich aber hatte sie bloß keine Lust, sich mit mir weiter zu befassen. So ist das. Komparsen werden zwar benötigt, aber in den meisten Fällen nie darüber in Zweifel gelassen, daß man sie doch eher als lästig empfindet. Schwenkfutter eben. Mir kam das gelegen. Hatte ich doch genügend Zeit, zu beobachten, was sich vor den Kameras abspielt.

Ohne Zweifel, die Protagonisten bemühten sich redlich, die seichten Dialoge in eine akzeptable schauspielerische Leistung umzusetzen. Leider setzten die Autoren, unter ihnen bekannte Drehbuch-Fließbandproduzenten wie Karl-Heinz Willschrei oder Peter Bradatsch (für sieben Folgen verantwortlich) nicht auf Wortkapriolen, wie wir es von den „Golden Girs“ oder der „Schrecklich netten Familie“ gewohnt sind. Statt dessen wird auf die sogenannten menschlichen Schwächen angespielt. Anstatt mit Text wird mit überzeichneten Charakteren gearbeitet: „Manfred“, ein Polizist, kommt aus Sachsen und tapst als dümmlich naiver Ossi durch die Kulissen – dennoch gut gespielt von Christian Ebel. Thilo Prückner mimt süffisant den ewigen Studenten, und Heiner Guth muß mal wieder den Vorzeige-Homosexuellen darstellen. Ute Willing, kreischig-exaltiert als Journalistin „Yvonne“, und Ralph Richter als Taxifahrer „Victor“ spielen sich einfach selbst. Stephanie Philip, dem Fernsehpublikum aus „Vera Wesskamp“ bekannt, darf als nette, naive Bedienung „Marion“ aufwarten, Louise Martini als die in der Kneipe gealterte „Hilde“.

Richtig peinlich wird es dann in der Folge „Bamba“. Der Autor dieser Episode, Peter Bradatsch, scheint offensichtlich nicht mitbekommen zu haben, was zur Zeit in Deutschland vorgeht. Nur so sind Dialoge wie: „Ich Hilde – du Samba. Du in Deutschland bleiben wollen. Aber ohne Erlaubnis nix möglich Deutschland...“ denkbar, aber nicht zu entschuldigen. Der Asylant aus Senegal, „Samba“, wird dann an die ARD-Konkurrenz „Herzblatt“ verschachert. Dort wartet schon die Traumfrau, die ihn heiratet, damit er in Deutschland bleiben darf. Zum Lachen, nicht wahr?

Wie schreibt das ZDF in seiner Presseinformation? „Wir möchten Geschichten erzählen, die die Stärken und Schwächen der Menschen in diesem Mikrokosmos aufs Korn nehmen.“ Danke! Aber nicht jedes Huhn findet ein Korn. Ein ziemlich mickriger Kosmos, den das ZDF seit 8.1. jeden Freitag um 22.15 Uhr zu bieten hat. Georg von Grote