Der ABMler der Nation

■ Fußball-Lehrer Helmut Schulte (35) startete per ABM eine Traumkarriere

Eigentlich sollte der arbeitslose Helmut Schulte beim FC St. Pauli per Arbeitsbeschaffungsmaßnahme die ausländischen Spieler in die Jugend-Mannschaften integrieren. Drei Jahre später wurde der diplomierte Sportlehrer Chefcoach der Profis, gefeierter Liebling am Hamburger Millerntor – und prominentester ABMler des Landes.

taz: Herr Schulte, Sie sind der berühmteste ABMler der Republik, seit Sie 1987 vom Jugend- zum Cheftrainer des FC St. Pauli aufgestiegen sind.

Helmut Schulte: Daß diese Traumkarriere mit einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme angefangen hat, war unglaublich medienwirksam: Arbeitsloser Diplomsportlehrer bekommt über ABM einen Job und wird Bundesligatrainer. Tolle Geschichte. Nie im Leben hätte ich geglaubt, jemals Bundesligatrainer zu werden. Mein Aufstieg hat sicherlich das Gewissen einiger Politiker mächtig erleichtert. Ich war so eine Art Vorzeige-ABMler.

ABM-Stellen dürfen keine Planstellen ersetzen. Sie müssen inhaltlich neu definiert sein. Was war Ihr Job?

Nachdem ich mein Sport-Diplom gemacht hatte, gab es kurz Leerlauf. Dann holte mich 1984 der FC St. Pauli. Ich wurde hauptamtlicher Jugendcoach mit der speziellen Aufgabe, ausländische Spieler zu integrieren. So bekam der Verein 80 Prozent der Kosten erstattet, mußte sich aber verpflichten, die dreijährige Maßnahme selbsttätig weitere drei Jahre fortzuführen.

Als Sie mit ihrer Mannschaft in die erste Liga auffuhren, sprachen Sie vom „schönsten Job der Welt“.

Das würde ich heute relativieren zum „schönen Job“. Damals, in St. Pauli war es keine Kunst, das zu sagen. Das war ja wie im Traum. Alle waren Aufsteiger, alle fanden es toll, da war nur Begeisterung, alles war gut, alles war schön. So ausgelassen und fröhlich sein kann man gar nicht mehr, wenn man ein bißchen Erfahrung gemacht hat.

Die Leichtigkeit des ABM- Glückspilzes ist dahin?

Längst. In Wahrheit waren die 100 ABM-Stellen, die zeitgleich für Sozialarbeiter in Sportvereinen geschaffen wurden, wesentlich wichtiger und notwendiger als meine. Viele Vereine hätten sich sonst keine kompetenten Hauptamtlichen leisten können. Witzigerweise wurde damals auch der jetzige St.-Pauli-Coach Seppo Eichkorn als ABMler beim FC eingestellt – die werden dort alle Cheftrainer.

Nach Ihrem Rausschmiß im Juli 1991 gingen Sie ein Jahr lang zu Dynamo Dresden. Spielen ABM-Stellen dort eine Rolle?

Überall im Osten wird der Schaden mit ABM-Stellen begrenzt, auch bei Dynamo Dresden. Vor der Wende hatte der Verein 85 Festangestellte. Viele von ihnen konnten mit ABM überbrücken, so konnnte man dort fast zwei Jahre lang qualifizierte Leute halten. Nun wird es wohl ein sanftes Hinübergleiten in die gesicherte Arbeitslosigkeit.

Sie selbst haben sich inzwischen eine Arbeit als Kommentator bei Sat.1 verschafft. Ihre Zukunft?

Oh nein, ich möchte nicht Journalist bleiben, nein nein nein. Ich bin Trainer! Ich muß bald mal wieder auf dem Acker stehen, ich bin schon ganz ungeduldig.

Diesmal wird das Arbeitsamt kaum nützlich sein...

Eine ABM-Stelle wird's nicht mehr werden. Aber mit Journalisten rumkungeln und betteln: Bring mich doch mal ins Gespräch – das mach ich nicht. Schau ma mal. Interview: Michaela Schießl