Sechs Ladies für Alphonse de Bleue

■ Blaubarts Orchester von und mit Ulrich Tukur, den Stadtmusikatzen und Annette Maria Marx im Tivoli

von und mit Ulrich Tukur, den Stadtmusikatzen
und Annette Maria Marx im Tivoli

Gewollt hatte er es nie, aber tot waren sie dann doch: die sechs Frauen des Alphonse de Bleue alias Ulrich Tukur, Hauptdarsteller und Erfinder der „mörderischen Revue“ Blaubarts Orchester im Tivoli. Der Hochzeitsnacht mit seiner siebten Frau Marie darf das Publikum beiwohnen. Ganz bieder trällert Annette Maria Marx, die sich als Luder Nessi Tausendschön nicht nur neulich auf Kampnagel Respekt verschafft hat, diesmal das brave Frauchen. Das tragische Ende der Veranstaltung verrät schon eine kurze Meldung im Programmblatt: Eine alte Villa sei 1947 abgebrannt, gefunden habe man die Leichen des Hausherrn de Bleue, seiner Frau Marie und sechs weiterer Frauen.

So weit das Ende von Ulrich Tukurs Neuauflage der Geschichte eines Frauen mordenden Herrn wie Heinrich VIII. einer war oder Blaubart mit der verbotenen Kammer. Doch bis zum flammenden Ende ist es ein weiter Weg in der Inszenierung von Ulrich Waller, die durch Wüsten und schummrige Gassen führt, voller alter Schlager, voller Morde aus Versehen und schlechter Scherze trotz besseren Wissens.

Mit Taschenlampe und Champagner bewaffnet geleitet de Bleue seine Braut durch den Wintergarten seiner Vorväter. „Endlich allein“, seufzt der Gatte zwischen Tischchen und Stühlen, und noch lacht ein Herr im Publikum, der sich im nächsten Moment als typisches Exemplar eines „gemeinen Zierspargels“ von seinem Platz erheben muß. Tuchfühlung sucht Tukur zum Publikum nicht nur hier, so als könne es ihm nicht nahe genug sein. Ehrlich, theatralisch und billig soll es zugehen, ein Fleischwolf ist das erste zarte Hochzeitsgeschenk für die junge Braut mit dem goldenen Kehlchen. Sie muß sich zusammen mit dem Publikum die Todesarten ihrer Vorgängerinnen erzählen lassen, bevor sie als Sängerin im Damenorchester der Untoten glänzen soll.

Die Damen von de Bleues Salonorchester geben die Hamburger Stadtmusikatzen: die Sophie am Klavier, die Ausdruckstänzerin Madeleine an der Geige, die orientalische Schönheit Leila an der Klarinette, Rose, die unglücklich aus dem 42. Stock in der 42. Straße stürzte, am Violoncello, die Nonne Antonia an der Flöte und die patente Krankenschwester Annabelle, die in de Bleues Hausorchester die 2. Geige spielt.

In dem unbeholfenen Regieeinfall, alle toten Damen in engen schwarztrauernden Kleidchen und superoxydblonden Perücken zu uniformieren, zeigt sich der impulsive Reiz einer Schultheaterinszenierung, der noch vom schlichten Bühnenbild unterstrichen wird. „Schwiegermuttercharme“ attestierte in der Pause eine moderate Feministin Hamburgs beliebtestem Hamlet der letzten Jahre, anderen sanken die Lider, da ihnen offenbar die bestechende Niveaulosigkeit des Abends nicht ins Auge sprang. Billig die Scherze, heiter die Versprecher - „ich bluckte, äh, blickte hinab“ -, und als echtes Unikum jongliert der über 60jährige Perkussionist Robby Schuster mit den Beckenbesen und versieht seinen Dienst als treuer Helfer Hercules. Zwei Köpfe kleiner als sein nadelstreifengewandeter Herr wieselt er diensteifrig um Unsichtbarkeit bemüht umher. Alle zusammen musizieren ganz allerliebst, zum Beispiel in „Die Männer sind schon die Liebe wert“, einem Schlager, der besingt, wie der Appetit auswärts geholt und daheim gestillt wird. Endlich auf der Reeperbahn: Oma- Trash. Julia Kossmann

bis 24.1. Schmidts Tivoli, jeweils 20 Uhr