: "In Wagners Oper kann man Isolde beim besten Willen nicht als Femme Fatale bezeichnen...."
„In Wagners Oper kann man Isolde beim besten Willen nicht als Femme Fatale bezeichnen. Tristan wird als männlicher Held par excellence beschrieben, seinem König treu bis in den Tod; er hat mirt demSchwert starke Gegner umgelegt und fungiert als eine Art Supermann des 19. Jahrhunderts. Durch den Zaubertrank wird er unauflöslich mit einer Frau verbunden, dadurch gerät er in Konflikt mit der Männerwelt der Ehre und des Ruhms, des heldenhaften Verhaltens, so daß ihm nur noch der Tod übrigbleibt. Die Chromatik wird zum Synonym für die Sexualität, die ihn überwuchert un die tödlich für ihn ist.
Wagner trennt deutlich zwischen der heilen Welt des Tages, der Normalität, in der Dur-Akkorde und diatonische Melodieschritte erklingen, und der Welt der Nacht, des ungehemmten Genusses. Mit dem Tag ist ja auch die Welt der Vernunft, der Arbeit und des Denkens verbunden, mit der Nacht die der Empfindungen, des Todes, der Liebe. Wir können hinzufügen: Der Tag gehört dem Mann, die Nacht der Frau. Isolde wird hier als die Vertreterin des Todes gesehen, sie äußert sehr früh in der Oper die Todesgedanken; der Tod erfolgt zwar nicht direkt über den Gifttrunk, sondern über den Liebestrank. Sie zieht Tristan in den Untergang, und die Musik läßt es uns auch hören.Bei dem folgenden Notenbeispiel befiehlt Isolde, daß Tristan kommen soll; sie erhält die für die Machtausübung typischen Dreiklangspartien: sie ist ranghöher als er:
Zuerst wird Tristan als völlig normaler Mann vorgestellt, „ein Herr der Welt, Tristan der Held“, singt sein Bedienter Kurwenal begeistert, und laute Dur-Akkorde bzw. Unisonoläufe begleiten dies. Nachdem aber Tristan den Zaubertrank zu sich genommen und sich ausschließlich auf Isolde eingestellt hat, ist er für nichts mehr zu gebrauchen. Auf die Vorwürfe König Markes kann er sich nicht verteidigen, er ist geradezu hilflos. Er sehnt sich nach dem Tod. Sein Scheitern zeigt die Unmöglichkeit einer Verschmelzung von Mann und Frau in der Liebesbeziehung, aber auch, daß der Mann dem Tode geweiht ist, wenn er sich völlig der Liebe und dem ungehemmten sexuellen Genuß hingibt. Die Frau stellt nicht nur Sexualität dar, sie IST Sexualität. Es ist kennzeichend, daß Tristan im Schoß Isoldes stirbt, dort, wo er das höchste Glück erlebt. Auch, daß er sein Schwert fallenläßt, als Melot ihn angreift.“ Eva Rieger
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