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Zusammengeschlagene Hacken

■ Nach "Radio 4U" kommt "Fritz!": Ein Gespräch mit dem Chef der Jugendwelle, Helmut Lehnert

Fritz! Eigentlich hört sich der Name des neuen gemeinsamen Jugendradios von ORB und SFB so an, als sollten die HörerInnen beim Einschalten jedes Mal die Hacken zusammenschlagen. Aber nein! Denn wenn es nach den MacherInnen der Welle geht, die im März starten soll, dann ist alles ganz anders: „Fritz! ist zwischen 15 und 25 Jahre, so alt wie seine HörerInnen. Manche behaupten, Fritz! sei eine Frau. Aber Fritz! ist nur so wie du und ich, doch immer auch ein bißchen fritziger.“ So steht es zumindest in einer Stellenanzeige für die Welle geschrieben, die die Jugendprogramme RockradioB (ORB) und Radio 4U (SFB) ersetzen wird. Trotz Hörerprotest wurde Radio 4U bereits in der Silvesternacht abgeschaltet. Was das neue Programm betrifft, scheint nach der taz vorliegenden Planungspapieren festzustehen, daß das Fritz!-Musikprogramm hauptsächlich von einem „Klassik-Rock-Pop-Format“ bestimmt werden soll. Es enthält zu jeweils fünfzig Prozent die englisch- und deutschsprachigen Titel der Rockgeschichte seit 1965 und „passende aktuelle Neuerscheinungen“. Erst am späten Abend sollen „gezielt“ musikalische „Spezialangebote“ (Soul, HipHop, Techno) gemacht werden, allerdings „ohne in Extreme und Minderheiten- Sparten abzugleiten“. Das Tagesprogramm ist „durchmagaziniert“, die Nachrichten sollen inklusive Wetter nicht länger als vier Minuten sein. Die taz fragte den zukünftigen Fritz!-Wellenchef Helmut Lehnert nach dem beabsichtigten Profil des neuen Jugendradios. Lehnert war zuvor Musikchef bei Radio 4U und arbeitete früher mal beim legendären sf-beat.

taz: Wie soll „Fritz“, die gemeinsame Jugendwelle von ORB und SFB, aussehen?

Helmut Lehnert: Darüber wollte ich ja eigentlich noch nicht reden. Erst mal mußte Radio 4U abgewickelt werden, und das ist hart genug. Ein Teil der freien Mitarbeiter wird weiter für „Fritz“ arbeiten können, aber natürlich nicht alle. 4U hatte über 90 Mitarbeiter. Einige Kollegen haben eine Perspektive innerhalb des SFB gefunden. Ein Jugendprogramm kann man nicht unbefristet machen; irgendwann verliert man das Feeling für Jugendliche.

Wie alt sind Sie?

Die Frage mußte ja kommen. Ich bin 42. Ich habe den Vertrag für Fritz! unterschrieben, weil es eine Riesenchance für mich ist, so eine Jugendwelle noch einmal aufzubauen. Ich habe bei Radio 4U auch von Anfang an mitgemacht.

Worin sehen Sie die Chance?

Darin, hier in Berlin und Brandenburg, wo es so viele Jugendsendungen gegeben hat, noch einmal eine zu machen, die dann Bestand hat. Hoffentlich. Es wird ja immer noch kräftig abgewickelt. Demnächst muß ich RockradioB abwickeln. So bitter das klingt. Ich hätte auch bei der Treuhand arbeiten können.

Wie sehen die Voraussetzungen für Fritz! aus?

Das Fritz!-Programm wird mehr Geld zur Verfügung haben als Radio 4U, nämlich vier Millionen. Das sind genau 1,3 Millionen mehr, als 4U hatte, und diese 1,3 Millionen werden in Inhalte gepackt. Fritz! wird sehr viel anspruchsvoller werden, als es 4U je sein konnte.

Die Erwartungen sind genau entgegengesetzt: Fritz! könnte nur ein weiterer Dudelsender mit maximal Drei-Minuten-Wortbeiträgen sein.

Über negative Erwartungen war ich immer sehr froh, denn dann kann es ja nur besser werdend. Bei Fritz! wird es keine Zeitbeschränkung geben, was die Wortbeiträge betrifft.

Hören wir ab März auf Fritz! eher Mainstream oder Subkultur?

Fritz! wird tendenziell verkörpern, was RockradioB, DT64 und Radio 4U wichtig fanden: subkulturell orientierte Programmteile und auch jede Menge „durchgesetzte“ Rockmusik, die ja deswegen nicht schlechter ist. Beide Teile sollen vorkommen und werden auch vorkommen. Wir werden nie etwas aussparen, nur weil es in den Hitparaden läuft. Allerdings ist Fritz! ein Radioprogramm, und Radio ist immer auch Information, wenn man das richtig begreift. Es ist keine Information, eine Genesis-Platte 700.000mal zu spielen. Sowohl was Musik, Kultur als auch Politik angeht, wird es bei Fritz! vor allem Informationen geben. Dieses Programm wird einen hohen Gebrauchswert haben.

Wie steht es bei Fritz! um sogenannte Minderheiten- und Sonderprogramme, etwa Wolfgang Doebelings „Roots“?

„Roots“ läuft, wie auch „Globus a Gogo“, fortan über SFB2. Spezialprogramme werden bei Fritz! weiterhin auf Sendung sein, so etwas wie „Nightflight“ etwa. Ich mache jetzt 15 Jahre lang an maßgeblichen Schnittpunkten Radio für Jugendliche, und ich lege mit Radio 4U nicht meine Persönlichkeit ab. Es ist aber etwas anderes, zwei Stunden Radio zu machen als 24 Stunden zu füllen. Bei 24 Stunden sind flache Stellen einfach notwendig. Du kannst nicht 24 Stunden lang ein Feuerwerk veranstalten. Ich jedenfalls freue mich auf Fritz!. Ich hoffe, die Leute auch. Das Gespräch führte

Anke Westphal

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