■ Nach der Entwarnung im Südirak
: Halbe Erfolge, halbe Niederlagen

Nach dem jüngsten Showdown zwischen dem Irak und den Alliierten unter Führung der USA ist eigentlich nur eines klar: eine neuerliche militärische Konfrontation wurde vermieden, und beide Seiten können einen Erfolg verbuchen – der sich bei näherem Hinsehen allerdings eher als halber Erfolg beziehungsweise Niederlage entpuppt.

Da ist zunächst einmal der Irak, der in seinen diversen Erklärungen das Ultimatum nie akzeptiert hat (aber offenbar stillschweigend zumindest einen Teil der umstrittenen Raketen abgezogen hat). In der irakischen Regierungspresse wurde daher auch die Standfestigkeit Saddam Husseins gegenüber imperialistischen Drohungen sowie die Bereitschaft hervorgehoben, notfalls in einen „ehrenvollen Heiligen Krieg“ zu ziehen und die Souveränität des Landes gegenüber „finsteren Aggressionen“ zu verteidigen. Gleichzeitig, um auch ja nicht den Anschein eines Nachgebens zu erwecken, heizte das Regime in Bagdad parallel zum Auslauf des Ultimatums einen alten Konflikt neu an, indem es am Donnerstag den UN-Inspektoren Flüge in eigenen Maschinen in das Land untersagte. Die irakische Politik der Nadelstiche – mal gegen Hilfslieferungen für die Kurden, mal gegen die Inspektoren oder, wie zuletzt, in der südirakischen Flugverbotszone – und damit das Kernproblem, das sich hinter der „Raketenkrise“ verbirgt, gehen also unvermindert weiter.

Da ist außerdem das US-Verteidigungsministerium, das über ein Informationsmonopol über das verfügt, was in den letzten Tagen im Südirak passiert ist – oder eben auch nicht passiert ist. Nach außen hin vermeldete die US-Administration am Samstag einen Erfolg: das Nachgeben Saddam Husseins gegenüber dem Ultimatum – nach „allen verfügbaren Beweisen“, wie Pressesprecher Marlin Fitzwater erklärte. Eine Formulierung, die für sich genommen bereits eine gewisse Einschränkung beinhaltet. Äußerungen aus dem Pentagon und „Geheimdienstkreisen“ ist zu entnehmen, daß noch nicht alle Raketen auf ihre frühere Position nördlich des 32.Breitengrades zurückgezogen wurden, diese aber keine Bedrohung mehr darstellten, beziehungsweise einige überhaupt nicht bewegt worden sind oder nicht lokalisiert werden konnten. Welche Raketen nun also genau wohin bewegt worden sind, scheint zum jetzigen Zeitpunkt schlichtweg nicht klar zu sein.

Dennoch: Saddam Hussein lenkte – in altbekannter Manier – zumindest teilweise und punktuell ein, die USA signalisierten Entwarnung, wenn auch nur vorläufig, denn das Ultimatum wird aufrechterhalten, unbegrenzt. Viel Lärm um nichts also in den letzten Tagen? Nicht unbedingt. Es wäre verfehlt, den vermutlich letzten persönlichen Showdown zwischen Saddam Hussein und George Bush nur auf die „Raketenkrise“ zu beschränken, die, im Gegensatz zu anderen irakischen Pokerspielchen, so viel Wirbel ausgelöst hat. Dies hat sich mittlerweile auch auf den Fluren des Weißen Hauses herumgesprochen. Es ist bemerkenswert, daß die US-Administration jetzt beim Weltsicherheitsrat vorstellig werden will, um wegen der Behinderung der UN-Missionen vor Ort verstärkten Druck auf den Irak auszuüben. Denn dies war weder bei der Verhängung des Flugverbots im Südirak noch bei dem jüngsten Ultimatum der Fall. Wenn es um Militärisches geht, ist das offenbar nicht vonnöten, obwohl der Golfkrieg gegen den Irak offiziell ein „Krieg der UNO“ war. Aber eben nur offiziell. Beate Seel