„Bauchschmerzen habe ich dabei schon“

■ Interview mit dem Castro-kritischen österreichischen Schriftsteller Erich Hackl über sein Engagement für ein Heinrich-Heine-Haus in Havanna

taz: Als Sie vor einem Jahr die Übersetzung Ihres Romans „Auroras Anlaß“ in Havanna präsentieren sollten, erfuhren Sie dort, daß Ihr Freund und Übersetzer, Jorge Pomar Montalvo, verhaftet, zusammengeschlagen und zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt worden war. Anlaß war ein Manifest, das er zusammen mit anderen Intellektuellen unterzeichnet hatte und das moderate Reformschritte und eine öffentliche Debatte einforderte. In der Folge haben Sie sich – unter anderem auch in der taz – mit großem Nachdruck für Jorge Pomar und andere verhaftete oder, wie der Schriftsteller Jesús Díaz, ins Exil getriebene kubanische Intellektuelle eingesetzt. Was bewegt Sie nun dazu, den „Freunden des Heinrich-Heine- Hauses in Havanna“ beizutreten?

Erich Hackl: Die eine Sache steht ja nicht im Gegensatz zu der anderen. Das Konzept, das hinter dem Heinrich-Heine-Haus steht, will gerade in dieser Phase die Frontstellung in Kuba aufbrechen, die vor allem im kulturellen Bereich so massiv ist – und das finde ich richtig. Ein Heinrich-Heine-Haus kann diese Polarisierung in Kuba zwar nicht beseitigen oder so tun, als ob es sie nicht gäbe; aber es kann sie mißachten, es kann sich in seinem Rahmen darüber hinwegsetzen. Und damit wäre schon etwas erreicht.

Bereitet es Ihnen aber nicht Bauchschmerzen, daß der kubanische Kooperationspartner für das Heinrich-Heine-Haus der offizielle Schriftstellerverband UNEAC ist? Und der ist ja auch Teil des politischen Apparats: als etwa Jorge Pomar politisch zur Unperson wurde, hat die UNEAC ihn prompt – und statutenwidrig – aus dem Verband ausgeschlossen...

Das Vorhaben des Heinrich- Heine-Hauses ist noch in einem zu frühen Stadium, um zu sagen, wie eng das Projekt in der Praxis mit dem Schriftstellerverband zusammenarbeiten wird. Das weiß ich einfach nicht, das muß sich mit der Zeit zeigen. Jetzt im Januar soll in Havanna ja erst der genaue Vertrag ausgehandelt werden. Und die Initiatoren des Heinrich-Heine- Hauses stehen mit ihrer Person und ihrem Namen ja für ein kritisches Verhältnis zur Staatsführung in Kuba. Wenn die kubanische Seite das Projekt annimmt, dann schluckt sie das auch – sonst wird es kein Heinrich-Heine-Haus geben.

Aber – und ich sage dies nicht aus so einer „europäischen Überheblichkeit“ heraus, die uns, die wir ja nicht unsere Haut zu Markte tragen wie die Leute dort, so leicht über die Lippen kommt – ich denke schon, daß in Kuba im Kulturbereich der Punkt überschritten ist, an dem man anständig bleiben kann, ohne den Mund aufzumachen, an dem man einfach weiter Ämter und Funktionen bekleiden kann.

Und nach all dem, wie sich die Spitze des Schriftstelllerverbands im Fall von Jorge Pomar, der Dichterin Cruz Varela, Jesús Díaz und so vielen anderen verhalten hat, will ich dem UNEAC-Präsidenten Abel Prieto und einigen anderen nicht mehr selbst die Hand geben müssen. Also Bauchschmerzen habe ich dabei schon...

Der „Fall Pomar“ hat eine recht heftige Diskussion in der hiesigen Lateinamerika-Solidarität ausgelöst. Ihr energisches Eintreten gegen die staatliche Repression auf Kuba hat Ihnen dabei einigen Streit eingetragen...

Die Soli-Bewegung – da haben mir gegenüber viele so argumentiert, als ob sie selbst in Kuba an der Macht wären: Die haben mir dann die ganzen Gründe vorgehalten, warum die Regierung so handeln muß. Ganz abgesehen davon, daß das falsch ist, ist das so, als ob ich in Österreich immer mit den Sachzwängen des Bundeskanzlers argumentieren würde! Und von den Regierenden aus zu denken, immer in deren Rolle zu schlüpfen, das ist natürlich völlig sinnlos. Es geht also gar nicht so sehr um das jeweilige Pro und Contra, ob ich in einem konkreten Anlaß für eine bestimmte Politik oder dagegen bin; es ist dieses Denken, als wäre ich selbst der Präsident oder der Kanzler, das mir absurd scheint. Dieses Denken in Dimensionen der Macht, die wir sonst immer ablehnen; bei Kuba nun sollen wir auf einmal immer von dieser Position der Macht aus denken – das ist vielleicht der große Fehler.

Eine letzte Frage: Haben Sie Neues von dem verhafteten Jorge Pomar gehört?

Ja. Zum Teil über Kanäle, die ich nicht nennen möchte. Pomars Haftentlassung ist für den 20. Juni vorgesehen. Er bekommt jetzt nach jeweils 45 Tagen Zwangsarbeit fünf Tage Urlaub. Zu Weihnachten soll er zu Hause in Havanna gewesen sein. Seine Frau ist schwer krank. Ich fürchte, daß staatliche Stellen ihre Krankheit mißbrauchen werden, um die Familie nach Pomars Entlassung ins Exil zu zwingen.

Das Gespräch führte

Bert Hoffmann