■ Glosse
: 1992: erstes Eichwede-Jahr

GLOSSE

1992: erstes

Eichwede-Jahr

Eingeweihte wissen Bescheid: Es gibt eine bremische Antwort auf die traditionelle Ruder-Regatta der britischen Universitäten Oxford und Cambridge. In der beliebten Fernsehsendung „buten & binnen“ tragen die beiden Wissenschaftler Rudolf Hickel und Wolfgang Eichwede seit Jahren einen harmlosen, aber durchaus erbitterten Wettstreit aus. Es geht darum, wer die meisten Live-Auftritte hat.

Das Ringen um die TV-Präsenz begann schon Mitte der 80er Jahre. Damals verstand es der Wirtschaftswissenschaftler Hickel sehr geschickt, mit immer kühneren Stellungnahmen zu aktuellen politischen Fragen fast wöchentlich in „buten & binnen“ befragt zu werden. Wolfgang Eichwede, Leiter des Osteuropa-Instituts, geriet deutlich ins Hintertreffen und vermochte erst psychologisch wichtige Punkte zu sammeln, als es mit der politischen Umgestaltung in der Sowjetunion akut wurde.

Die Charts der Medienkontrollkommission Hickel-Eichwede (MKHE), die aus neutralen Personen des öffentlichen Lebens zusammengesetzt ist, ergaben im Jahr 1992 ein spannendes Kopf- an-Kopf-Rennen der beiden Wissenschaftler. Der taz liegt ein vertrauliches Schreiben der Kommission vor, dem zu entnehmen ist, daß Wolfgang Eichwede nach der offiziellen Auswertung jetzt erstmals die Nase vorn hatte: 1992 war demnach ein Eichwede-Jahr.

Ein Kommissionsmitglied erklärt: „Hickel hat sich taktisch klug verhalten und in der Diskussion um die bremische Finanzlage stark gepunktet. Sein Konzept war besonders erfolgreich, als er sich auch noch als Nachfolger des Finanzsenators Claus Grobecker ins Spiel brachte. Erst gegen Jahresende setzte Eichwede zu einem beeindruckenden Schlußspurt an. Mit seinem Einsatz um bremische Kulturgüter in Rußland landete er die entscheidenden Treffer und war ständig in „buten & binnen“ präsent. Eine taktische Meisterleistung und ein überzeugendes kämpferischens Konzept.“

Vermutungen, nach denen sich Eichwede in dem harten Fernseh-Kampf bei Otto Rehhagel beraten haben soll, wurden von seiten des Osteuropa-Instituts nicht bestätigt. Dagegen liegt der Redaktion die Kopie eines

Man mit

Strubbel-Haar

Wolfgang Eichwede

Coaching-Vertrages vor, den Rudolf Hickel mit dem Catch- König Otto Wanz abschloß. Bei erfolgreichem Verlauf des Wettstreits war Wanz von Hickel zugesagt worden, daß dieser sich für die Umgestaltung des Asia-Trade-Centers in eine Sumo-Ringerschule verwendet.

Michael Geyer, Chef von „buten & binnen“, wollte zu dem überraschenden Ergebnis keine ausführliche Stellungnahme abgeben. „Wir hoffen nur, den Zuschauern auch 1993 wieder einen spannenden Zweikampf zeigen zu können“, erklärte er. Wie zu erfahren war, hat sich Eichwede schon mit einer interessanten Analyse zum Thema „Die Spiele Werder Bremens in Osteuropa — eine Bilanz“ zu Wort gemeldet. Hickel bereitet glaubwürdigen Informationen zufolge eine provozierende Denkschrift unter dem Titel „Brauchen wir noch einen Wirtschaftssenator?“ vor.

Eichwede zeigte sich gestern in einem ersten Gespräch als fairer Sieger: „Das Ergebnis kommt für mich völlig überraschend“, meinte er, „Hickel hat sich als großartige Kämpfernatur gezeigt. Der zweite Platz ist völlig verdient.“ Hickel zeigte sich vom undankbaren zweiten Platz enttäuscht: „Ich hatte mich monatelang auf den Kampf vorbereitet“, sagte er zur taz, „trotzdem gratuliere ich Eichwede zu seinem Sieg.“

Inzwischen meldete sich der CDU-Fraktionsvorsitzende Peter Kudella zu Wort. Er behauptet, gegen den Bürgerschaftsabgeordneten der Union, J. Henry Wilhelms, angetreten zu sein und verlangt ebenfalls eine Wertung „nach sportlichen Gesichtspunkten“. Daß lediglich Hickel und Eichwede den Wettbewerb ausgetragen hätten, sei „wieder mal ein typisches Beispiel für Genossenfilz“. Lutz G. Wetzel