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: Pressezügel in GB?

Dublin (taz) – Die britische Regierung, die wegen ihrer Wirtschaftspolitik von der Presse zur Zeit heftig kritisiert wird, will sich vor den Medien schützen. Der Tory-Jurist David Calcutt hat am Wochenende ein Papier vorgelegt, in dem er Einschränkungen der Pressefreiheit vorschlägt. So soll ein gesetzlicher Berufskodex für JournalistInnen eingeführt werden, über dessen Einhaltung ein „Pressetribunal“ wachen soll. Calcutt will dieses Tribunal, dem ein Berufsrichter und zwei Laienrichter angehören sollen, bevollmächtigen, Bußgelder gegen Zeitungen zu verhängen, Gegendarstellungen und Entschuldigungen zu diktieren sowie über ihre Plazierung zu entscheiden. Darüber hinaus wäre das Tribunal berechtigt, Entschädigungen bei Falschmeldungen oder Bruch der Privatsphäre festzulegen und Artikel einzukassieren, die gegen den Kodex verstoßen. Calcutt hatte bereits im Juni 1990 einen ersten kritischen Bericht über die britische Presse vorgelegt. Daraufhin richteten die Zeitungsverlage ein Jahr später die Kommission zur freiwilligen Selbstkontrolle ein. Im vergangenen Jahr wurde Calcutt von der Regierung beauftragt, ein neues Papier zu erstellen, nachdem sich die Beschwerden über Zeitungsberichte aus dem Privatleben von Politikern und Mitgliedern der königlichen Familie gehäuft hatten.

Das Kabinett reagierte gemischt auf die Vorschläge: Während Kulturminister Peter Brooke für eine Verbesserung der Selbstkontrolle eintritt, unterstützen die Minister Kenneth Clarke und Douglas Hurd Calcutts Vorschläge. Die Verleger aller Schattierungen hingegen sind sich in ihrer Ablehnung des Calcutt-Papiers einig. Ralf Sotscheck