Mit großen Knüppeln für Somalia

■ In Baidoa versuchen die US-Amerikaner, neue politische Strukturen ins Leben zu rufen – mit zwiespältigem Effekt

Baidoa (wps) – Am 16. Dezember marschierten die ersten US- Truppen in Baidoa ein. Seither gilt die somalische Stadt, aus der im letzten Sommer dramatische Hungerbilder um die Welt gingen, für die US-Amerikaner als Erfolgsgeschichte. Schießereien sind zurückgegangen, im wiedereröffneten Kino sind italienische Gangsterfilme zu sehen. Die 1.500 US-Soldaten in Baidoa schützen nicht nur Hungerhilfe, sondern betätigen sich auch als Dackdecker und haben sogar ein Fußballfeld hergerichtet.

„Einer der Stammesführer sagte mir, er hätte zum ersten Mal in zwei Jahren ruhig schlafen können“, freut sich Marineleutnant Werner Hellmer, der die US-Operationen in der Region leitet. Er schließt daraus, daß die US-Soldaten der Stadt Frieden gebracht haben. Andere sind realistischer: „Die bereiten sich auf eine neue Art Klientelsystem vor“, meint der irische Hilfskoordinator Mark Mullin. Alle möglichen Leute versuchen seiner Ansicht nach, sich den Amerikanern als neue, verläßliche lokale Autoritäten anzudienen.

„Leute aus der Versenkung“

Der US-Sonderbeauftragte Robert Oakley hatte kurz vor dem Truppeneinmarsch Baidoa besucht und um die Bildung politischer Gruppen gebeten. Einen Tag nach dem Einmarsch, am 17. Dezember, leitete Leutnant Hellmer eine chaotische Stadtversammlung, auf der die 300 Teilnehmer einen zwölfköpfigen „Ältestenrat“ bestimmen sollten. Als die Liste mit zwölf Namen fertig war, protestierten 25 darin nicht vertretene Clan-Gruppen gegen die Zusammensetzung. Dann tauchte der Mann auf, der unter Ex-Diktator Siad Barre Regionalkommissar war, und erklärte, er würde gerne seinen alten Posten wiederhaben. Hellmer: „Überall kommen Leute aus der Versenkung empor und behaupten, sie waren mal Polizeichef oder Gouverneur.“

Weiter gründeten die USA ein aus Somalis bestehendes Hilfskomitee. Der Komiteevorsitzende – einst Leutnant in Siad Barres Armee – hat 26 Polizisten ernannt, die nun an Checkpoints neben den US-Soldaten stehen. Sie haben aber weder Uniformen noch Waffen, sagt Hellmer: „Wenn sie wollen, können sie Knüppel tragen – große Knüppel.“

Das alles mag nach neuem gesellschaftlichen Leben aussehen. Aber Hilfsarbeiter wundern sich: „Wo waren diese Leute vor acht Monaten, als Menschen in den Straßen starben?“ fragt Mullin. Das Hilfskomitee will jetzt den Hilfsorganisationen Kompetenzen abnehmen – wie beispielsweise die Bezahlung somalischer Hilfsarbeiter.

Der Vorsitzende des Ältestenrates, der 83jährige Theologe Malak Muktar, ist seiner Position sicher. „Ich stimme mit keiner der Fraktionen überein“, sagt er. „Nur mit mir und mit meinem Clan.“ Er sei jetzt der höchstrangige Regierungsbeamte in Baidoa – „bis zu meinem Tod“. John Lancaster