Neuer Wirtschaftsplan für Nicaragua

■ Die Hälfte der Bevölkerung ist arbeitslos oder unterbeschäftigt / Abwertung der Landeswährung, staatliche Investitionen und langfristige Kredite sollen zum Aufschwung führen/ Experten sind skeptisch

Managua (taz) – Mit einer zwanzigprozentigen Abwertung des Cordoba und staatlichen Investitionen will Nicaraguas Regierung die Wirtschaft ankurbeln. Die Phase der Stabilisierung sei erfolgreich beendet, erklärte Präsidialminister Antonio Lacayo am Sonntag. Jetzt müsse die Phase des Wirtschaftsaufschwungs beginnen. Nach fünfstelligen Hyperinflationsraten konnte die Währung fast zwei Jahre lang nahezu stabil gehalten werden. Die Inflation war 1992 mit offiziell vier Prozent die niedrigste in Lateinamerika. Erstmals seit zehn Jahren wurde sogar ein, wenn auch bescheidenes, Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent registriert. Allerdings können die NicaraguanerInnen nur wenig für ihren Lohn kaufen, und die Hälfte von ihnen ist sowieso arbeitslos oder unterbeschäftigt.

Der neue Plan zur Reaktivierung der Wirtschaft, so Lacayo, sei nach ausgiebigen Konsultationen mit Unternehmern, Gewerkschaften und Vertretern der Gebernationen erarbeitet worden. Er sieht erstmals seit der Abwahl der Sandinisten vor fast drei Jahren größere Investitionen der öffentlichen Hand vor, vor allem im Bereich der wirtschaftlichen und sozialen Infrastruktur. Davon verspricht man sich mittelfristig 30.000 Arbeitsplätze. Impulse für die Produktion sollen durch die Verdoppelung des Volumens langfristiger Kredite ausgelöst werden. Kurzfristige Darlehen, die vor allem für Kleinproduzenten interessant sind, sollen wie bisher gewährt werden, das zusätzliche Kapital soll durch weitere Einsparungen im Haushalt gewonnen werden: ab sofort müssen auch die Ministerien und parastaatlichen Institutionen Steuern zahlen. Importe werden durch die Abwertung teurer, Luxusgüter werden zusätzlich besteuert.

Die Regierung will mit dem neuen Wirtschaftsplan Akzente in der Sozialpolitik setzen. Im Rahmen einer Kabinettsumbildung wurde sogar ein neues Ministerium für soziale Aktion geschaffen. Kommunale Arbeitsbeschaffungsprogramme sollen kurzfristig 20.000 Beschäftigungslosen ein Mindesteinkommen garantieren. Allerdings schrumpfen durch die Aufhebung der Steuerbefreiung auch die Budgets für Gesundheit, Soziales und Erziehung – Bereiche, die schon jetzt vor dem Kollaps stehen.

Unabhängige Wirtschaftsforscher sehen den Plan mit Skepsis. Denn schon vor einem Jahr hatte Lacayo den Beginn des Aufschwungs angekündigt. Die optimistischen Prognosen mußten dann nach und nach revidiert werden, obwohl Nicaragua 1992 zwischen 700 und 800 Millionen Dollar an ausländischer Wirtschaftshilfe empfing – das entspricht der Hälfte des Brutto-Inlandprodukts.

Die Zeit drängt, denn dieses Jahr werden diese Gelder spärlicher fließen, und ab 1994 ist mit einer drastischen Reduzierung der ausländischen Mittel zu rechnen. Zudem hängt der Erfolg des Programms nicht zuletzt vom innenpolitischen Klima ab. Und das ist denkbar schlecht, nachdem am Samstag der rechte Flügel der Allianz der Regierung den Kampf angesagt hat. Ralf Leonhard