Pervers-komischer Wahn

■ Mariola Brillowska und andere stellen auf Kampnagel aus

und andere stellen auf Kampnagel aus

Einbrecher stahlen einst dem Dental-Labor der Uniklinik für 45000 Mark Zahngold. Die darob unvermeidliche Skandalstory einer Boulevard-Zeitung hat Mariola Brillowska zu einem vierteiligen Gemäldeopus unter der nachempfundenen Headline Razzia macht Kasse umgesetzt. Die Wahlhamburgerin aus Polen ist in ihrer Kunst immer an den pervers-komischen Stories interessiert, die angeblich das Leben so schreibt. In Comic-Zeichnungen, Animationsfilmen und Ölschinken verdichtet sie den alltäglichen Wahn zu Bildern.

Immer sind es die möglichen Geschichten, die sie sich auch zu reduzierten Darstellungen vorstellt: was wird mit dem Sack Kartoffeln und der dicken Devotionalienkerze demnächst geschehen? Dabei geht es oft recht deftig zu. In einer Neunergruppe werden Kontaktanzeigen mit Bildern, die auf den weiblichen Dammausschnitt fokussiert sind, kombiniert, und die dazwischengehängten Tapetenmuster der Bordelle werden plötzlich noch obzöner als das direkte Tabubild.

Ein anderer neunteiliger Bildzyklus zeigt bestrumpfte Frauentorsi, sichtbar von der Wade bis zum Bauch, mit Beschauer-Stempel versehen und überkopf aufgehängt wie im Schlachthof. „Samenbank“ heißt diese, auf 36 Bilder geplante ätzende Kritik. Diese Bilder sind alles andere als „lecker“, selbst wenn unter diesem auffordernd gemalten Wort der Schlachter eine Wurst für 1,99 Mark anbietet, die den Markennamen INRI trägt.

In gleicher direkter Farbigkeit, aber in mathematisch reduzierten Formen präsentieren sich die großen Ölbilder von Charles Kissing. Er tränkt seine locker gespannten Leinwände mit Leinöl, trägt die Farbe auf und schabt, kratzt und arbeitet sie radikal wieder ab. Dabei entstehen unter konstruktiven Formen informelle Farbgesten, die durch die meist durchgedrückten Spuren der rückseitigen Holzleisten ein kistenähnliches Raster erhalten.

Als Drittes hat Mariola Brillowska für die Ausstellung Objekte von Marius Dietrick gewählt. Für ihn ist alles Fertige nur aufgesetzter Schein. Seine figürlichen Skulpturen sind wie unabsichtlich zusammengewürfelt, seine Raumteile zeigen beides, die perfekte und die grob unfertige Seite. So entlarvt sich das Siegerpodest von selbst und die prachtvollen Türen zum wohligen Leben sind von der Rückseite miese Bretter, gut genug für ein Klo. Assoziationen an das Ost-West und Nord-Süd-Gefälle sind dabei gerne gestattet.

Freie Ausstellungen in K3 haben seitens der Kulturbehörde keinen nennenswerten Etat. In diesem Fall hat Babette Peters einen Druck- und Kopierbetrieb als Sponsor gewonnen. So gibt es statt eines Kataloges die Möglichkeit, sich selbst Farbkopien zu ziehen. Zudem kann man die Filme der Brillowska und den Video-Katalog der Ausstellung für je 10 Mark kaufen. Hajo Schiff

Eröffnung morgen 19 Uhr. K 3 auf Kampnagel, Di-So 15-19 Uhr, bis 2.2., dann eine Woche bei „Druck und Kopie“, Rentzelstr. 10.