Die SPD vor der Verkehrswende?

■ Entwurf für Leitantrag fordert Ausstieg aus der Autogesellschaft / Herbe Kritik an der bisherigen Verkehrspolitik des Senats

/ Herbe Kritik an der bisherigen Verkehrspolitik des Senats

In einer gut koordinierten Aktion landete gestern morgen eine Serie gleichgeschalteter Briefzeitbomben in den Briefkästen des SPD-Landesvorstandes und der verkehrspolitischen Crème de la crème der Hamburger SPD. Inhalt: Ein massiver Anschlag auf die autogerechte Stadt. Dem privaten PKW soll Luft und Platz genommen, das Autofahren und Parken drastisch verteuert werden. Wieder einmal hat einer der berüchtigtsten Papiertiger der Hamburger Politszene zugeschlagen: der SPD-Braintrust „AsJ“, die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer JuristInnen.

Hinter der kuschelzarten überschrift „Hamburg steigt um — Diskussionsgrundlage zur Vorbereitung eines verkehrspolitischen Leitantrags“ verbirgt sich ein ausgekochtes Gesamtkonzept für eine grundlegende Wende von Verkehrspolitik und Verkehrswirklichkeit in Hamburg. Zentrale Zielvorgabe: Bis zum Jahr 2005 soll der private Autoverkehr auf 50 Prozent des Niveaus von 1990 gedrückt werden. Damit diese Zahl nicht bloß auf dem Papier steht, haben die smarten AsJ-Boys hinter die inzwischen gängigen überschriften vom notwendigen „Umstieg“, der Förderung von öPNV, Fußgängern und Radlern etc. einen 50-Punkte- Katalog gestellt, der verkehrspolitisches Dynamit bedeutet.

Eine kleine Sprengsatzauswahl: Sperrung der City (innerhalb Ring 2) und der Bezirkszentren für den privaten Autoverkehr; Rückbau aller Hauptverkehrsstraßen innerhalb des Rings zwei auf zwei Spuren; flächendeckend Tempo 30 (Ausnahme stark befahrene Hauptverkehrsstraßen); flächendeckendes Fahrradnetz, vor allem durch Markierungen auf der Straße; drastische Parkraumverteuerung; gebührenpflichtiges Anwohnerparken in allen Stadtteilen; Einführung der Stadtbahn; Einstellung des Straßenneubaus ...

Der Zeitpunkt für den AsJ-Vorstoß ist geschickt gewählt: Die AsJ mischt sich in die neu entflammte Verkehrsdiskussion innerhalb der SPD ein. Auf einem SPD-Landesparteitag im Februar will die Partei ihre Verkehrsprogrammatik in ein neues Konzept gießen und nach dem Hin- und Her um die Zuständigkeit für die Verkehrspolitik einen Neuanfang machen. Trocken konstatiert die AsJ: „In den letzten beiden Jahren ist es nicht gelungen, einen Verkehrs-Umstieg wesentlich voranzutreiben. Im Gegenteil: Die verkehrspolitischen Probleme der Stadt sind gewachsen.“

Auch in einigen SPD-Kreisen gärt es. In Altona und Eimsbüttel

1hat die Parteibasis das Thema „Verkehr“ neu entdeckt. Der Kreis Nord, lange Zeit Hochburg der verkehrspolitischen Vordenker, hat sich dagegen im parlamentarischen Kleinklein und in immer neuen Va-

1rianten marginaler HVV-Verbesserungen festgerannt.

Die AsJ will ihr Konzept auf dem Parteitag zur Abstimmung stellen. Parteichef Helmuth Frahm signali- siert bereits Wohlwollen. Er hält

1Verkehr für ein „zentrales Zukunftsthema“, konstatiert „Defizite in der Politik“ und meint, eine „grundlegende Verkehrswende“ sei auch für Hamburg erforderlich. Florian Marten