Falsche Polizisten beraubten Vietnamesin

■ Drei Ostberliner wegen schweren Raubes und Freiheitsberaubung angeklagt/ Eine schlechte Show mit Handschellen, Lada-Sirene und gefälschtem Polizeiausweis

Berlin. Als im letzten Frühjahr ein 22jähriger Deutscher nahe einer Marzahner Kaufhalle den Vietnamesen Nguyen Van Tu erstach, meldete sich trotz zahlreicher Passanten kein einziger Augenzeuge bei der Polizei. Aufmerksame Zeugen jedoch ließen eine weitere Szene, die sich am 9.Oktober ebenfalls in der Nähe vietnamesischer Zigarettenhändler vor einem Marzahner Supermarkt abspielte, anders enden: Drei Ostberliner, die sich als Polizisten ausgegeben und eine Vietnamesin ausgeraubt hatten, wurden noch am selben Abend festgenommen. Wegen schweren Raubes und Freiheitsberaubung stehen der 26jährige Silvio Sch., der 18jährige Mike W. und der 19jährige Gunnar K. deshalb seit gestern vor Gericht.

Das Motiv? Geldmangel, vordergründig. Für einen bisher nicht angeklagten vierten Beteiligten hätten sie am Tag darauf „eine Geburtstagsfete machen wollen“, berichteten die geständigen jungen Männer treuherzig. Irgendwie wären sie dann auf die Idee gekommen, Polizei zu spielen und den Zigarettenhändlern ihr Zeug abzunehmen. 50, 60 Mark hätten sie haben wollen, mehr nicht. Gunnar K. bastelte sich aus Zeitungsausschnitten einen „Vorläufigen Dienstausweis der Kriminalpolizei“, das Geburtstagskind klebte eine Dienstmarke aus Blech zusammen, Silvio Sch. besaß zwei Handfunkgeräte und Handschellen und Mike W. einen alten Lada mit einer schicken neuen Sirene als „Ersatzhupe“. Die so ausgerüsteten Ersatzpolizisten warfen sich ins Auto, um Streife zu fahren – längs der Verkaufsstellen der Zigarettenhändler. „Wir wollten nur aussteigen, den Ausweis vorzeigen und die Zigaretten wegnehmen“, erzählte Gunnar K., der sich an „sechs Stück“ Vietnamesen vor einer „Norma“-Kaufhalle erinnerte. Doch als diese wegrannten, schnappten sich die Männer eine 25jährige Vietnamesin aus Rostock und zerrten sie Richtung Auto. Die Zeugin wollte begreiflicherweise jedoch weder ihre Tüte mit den drei Zigarettenstangen loslassen noch in den Lada gestopft werden, sie wehrte sich und schrie laut um Hilfe. Die Landschaftsgärtnerin Sabine N. und der Diplom-Ingenieur Ekkehard T., die sich unabhängig voneinander in der Nähe aufhielten, hatten Augen und Ohren und alarmierten die Polizei. Der Gärtnerin war die Szene gleich seltsam vorgekommen. Der Ingenieur hatte die Männer anfangs tatsächlich für Polizisten gehalten, bis ihm das alte Auto und sein Kennzeichen auffielen.

Doch es dauerte noch ein Weile, bis die echte Polizei in Aktion trat. Denn inzwischen saß die Vietnamesin mit gefesselten Händen und blutender Stirn im Wagen – sie hatte sich am Rahmen verletzt. Die Täter fuhren los und nahmen ihr die Zigaretten und, wie sie sagte, weitere 40 Mark Silbergeld weg. Keinen Moment, so die Zeugin, habe sie geglaubt, sie habe es mit wirklichen Polizeibeamten zu tun. Ja, sie hätten ihr einen Ausweis gezeigt, „aber ich habe nicht hingeguckt“. In einem Wald sei sie schließlich von den Handschellen befreit und ausgesetzt worden, das sei alles. In diesem Moment erhob sich Gunnar K. von der Anklagebank: „Ich möchte mich für die Sache entschuldigen und sagen, daß es mir leid tut.“

Immerhin. Und das Motiv der Tat, hintergründig? Mangelndes Selbstbewußtsein. Kein Hauptschulabschluß und abgebrochene Lehren, jedenfalls bei den beiden Jugendlichen. Die Jugendgerichtshelferin faßte es für Gunnar K. so zusammen: „Orientierungslos“ sei er gewesen, „besonders nach der Wende“. Das Urteil wird am Donnerstag gesprochen. Ute Scheub