Eine UNO-Intervention und ihre Folgen

Nach dem Appell des UN-Generalsekretärs: CDU und FDP suchen Kompromiß über Bundeswehreinsätze/ Streit um AWACS-Einsätze in Jugoslawien  ■ Aus Bonn Hans-Martin Tillack

Im nachhinein scheint Butros Ghali zu dem Schluß gekommen zu sein, mit seinem Fahnenappell an die Deutschen doch etwas zu weit gegangen zu sein. Weder am Montag abend vor der Deutschen Gesellschaft für auswärtige Politik noch gestern nachmittag im Auswärtigen Ausschuß wiederholte der UN-Generalsekretär seinen Appell, die Deutschen sollten sich auch an UN-Kampfeinsätzen beteiligen. Nein, in welcher Form Deutschland größere Verantwortung übernehmen könne, das wolle er nicht erläutern, beschied der Generalsekretär am Montag abend lächelnd seine Zuhörer. Er wolle sich ja nicht in die inneren Angelegenheiten der Bundesrepublik einmischen.

Das hatte er mit seiner Pressekonferenz am Montag nachmittag bereits getan, und die CDU ließ die Gelegenheit nicht verstreichen, aus Butros Ghalis Worten Kapital zu schlagen. Die SPD leiste sich eine „schwere Brüskierung“ des Generalsekretärs, wenn sie weiterhin eine volle Beteiligung deutscher Soldaten an UN-Einsätzen blockiere, wetterte etwa der Vizevorsitzende der Unionsfraktion, Karl Heinz Hornhues. Die SPD wertete diese Worte sogleich als „Ablenkungsmanöver“, habe sich doch auch die Regierungskoalition bis heute nicht auf eine gemeinsame Position geeinigt.

Gestern nachmittag suchte eine Koalitionsrunde zum wiederholten Mal vergeblich einen Kompromiß. Heute wollen Union und FDP ihre Gespräche fortsetzen. Beide Seiten klangen in den letzten Tagen kompromißbereiter. Auch Karl Lamers, außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, lehnte eine „Klarstellung“ im Grundgesetz nicht mehr ab und wollte auch nicht ausschließen, der SPD ein versöhnliches Angebot zu machen: Die alte Idee von Außenminister Klaus Kinkel (FDP), Out- of-Area-Einsätze der Bundeswehr nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag zuzulassen und so die SPD einzubinden, lehnte Lamers nicht mehr ausdrücklich ab. Über die Einzelheiten, so der CDU- Mann ausweichend, müsse noch geredet werden.

Strittige Fragen bleiben dennoch zur Genüge. So ist völlig unklar, wie sich die Bundesregierung verhält, wenn der UN-Sicherheitsrat die in Geilenkirchen bei Aachen stationierten AWACS-Aufklärungsflugzeuge der Nato anfordert, um Luftangriffe auf serbische Stellungen zu dirigieren. Während die FDP angesichts der Verfassungslage die deutschen Besatzungsmitglieder aus den Flugzeugen abziehen will, sollten die Deutschen nach Unionsmeinung mitfliegen. Die CSU sieht hier sogar eine „Nagelprobe“ und stellt die bange Frage, ob Deutschland „überhaupt noch Mitglied der Allianz bleiben kann“, wenn man aus den AWACS-Maschinen aussteigt.

Uneinig sind sich Union und FDP auch, wie weit die Grundgesetzänderung gehen soll. CDU und CSU wollen auch an Militäraktionen von Nato, Westeuropäischer Union (WEU) und KSZE teilnehmen, die nicht den Segen der UNO haben. Nach der Petersberger Erklärung der WEU sei Deutschland sogar verpflichtet, hier mitzumachen, argumentierte Lamers am Montag.

Die FDP dagegen fordert bislang als Bedingung eines deutschen Waffengangs einen Beschluß des UN-Sicherheitsrats – auch wenn Außenminister Klaus Kinkel neuerdings nebulös davon spricht, es genüge, wenn die Aktion unter dem „UNO-Dach“ stattfinde. Gerade angesichts des Scheiterns der Genfer Jugoslawien-Gespräche, so gestern Kinkel, müsse jetzt bei den deutschen Parteienverhandlungen auf Tempo gedrängt werden.

Nur Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) ließ sich von den Zwängen der Tagespolitik nicht beeindrucken. Die Bonner Debatte über UNO-Einsätze, so Süssmuth gestern bei einem Mittagessen mit Butros Ghali, sei „ein notwendiger Schritt auf dem Wege der Selbstfindung und Neubestimmung“ der deutschen Rolle.