Erneuter Streit um Asylkompromiß

■ Die Bonner Koalition will auch ohne die SPD einen Gesetzentwurf einbringen

In der kommenden Woche wollen die Koalitionsfraktionen einen Gesetzentwurf zum Asylrecht in den Bundestag einbringen, notfalls auch ohne die SPD. Dieses tatkräftige Vorgehen beschloß die Koalitonsrunde unter Leitung von Helmut Kohl gestern vormittag. „Wenn die Koalition dies durchpeitschen will, dann ohne uns“, erklärte Fraktionsgeschäftsführer Peter Struck darauf umgehend für die SPD. Nach den bisher vorliegenden Texten aus dem Innenministerium halten die SPD-Experten eine erste Lesung der neuen Asylgesetze bereits in der nächsten Woche für unmöglich.

Ob das Regierungslager mit dieser Ankündigung vor allem von den eigenen Unzulänglichkeiten ablenken oder ernst machen will – das hintergründige Gerangel um die rechtliche Umsetzung des Asylkompromisses von Koalitionsparteien und SPD ist nun wieder in offenen Streit umgeschlagen. „Irritierend“ sei die Ankündigung der Koalition auch deswegen, weil erst am Vortag in einem Gespräch der drei Fraktionsvorsitzenden Klose, Schäuble und Solms vereinbart worden sei, die gegenseitigen Vorwürfe einzustellen, um die strittigen Fragen rasch zu klären. „So etwas wie eine Aufkündigung des Kompromisses“ sieht der SPD-Innenexperte Gerd Wartenberg, wenn die Ankündigung wahr gemacht würde. Er hält das Ganze allerdings für „Theaterdonner“.

Zu den Gesetzentwürfen aus dem Innenministerium hatte der niedersächsische Ministerpräsident Schröder bereits Ende Dezember bemängelt, daß Innenminister Seiters (CDU) in einigen Punkten vom Parteienkompromiß abweichen wolle. Auch Struck merkte gestern an, daß die Entwürfe „in einigen Punkten nicht dem Kompromiß vom 6. Dezember 1992 entsprechen“. Zudem liegen allein aus der ersten Besprechung der Staatssekretäre aus den Innenministerien von Bund und Ländern 70 Anmerkungen vor.

Neben den Vorschlägen aus dem Seiters-Ministerium, die Verfahrensrechte noch stärker einzuschränken, als im Dezember vereinbart wurde, kritisieren die Sozialdemokraten vor allem die vorgelegte Neufassung des Artikels 16. Auch hier war Seiters von der Verfassungsformulierung des Kompromisses abgewichen. Deshalb war verabredet worden, daß noch in dieser Woche Verfassungsexperten der drei Fraktionen die Formulierungen vom 6. Dezember noch einmal abklopfen. An dieser Runde sollte auch die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Herta Däubler-Gmelin teilnehmen. Ob dieses Treffen trotz der allgemeinen Verärgerung zustande kommt, war gestern noch offen. In jedem Fall werden heute Innenexperten aus SPD, FDP und Union über die Fragen verhandeln, für die die Grundrechtsänderung nicht relevant ist. Dabei geht es unter anderem um den Status für Bürgerkriegsflüchtlinge, die künftige Sozialhilferegelung und das Einbürgerungsrecht. Tissy Bruns