Blumiger Stachel der Widerborstigkeit

■ Das Metropolis erinnert mit Mary Menkens Filmpoesie an eine Pionierin der amerikanischen Filmavantgarde

an eine Pionierin der amerikanischen Filmavantgarde

Als Malerin hatte Mary Menken immer versucht, durch Lichtschimmer und Farbkonstellationen Bilder in Bewegung zu bringen. Als ihr in den vierziger Jahren ein GI seine Kamera lieh, stellte sie fest, daß ihr eigentlich nichts näher lag als zu filmen. Filme der Pionierin der amerikanischen Filmavantgarde zeigt jetzt das Metropolis.

In den fünfziger und sechziger Jahren werkelte sie in ihrem Loft in Brooklyn mit wenig Geld und Blick auf ein nebulöses Manhatten. Damals hatten einige Immigranten den in Europa aussterbenden Surrealismus ins Amerikanische übersetzt: Was in Buñuels Un Chien Andalou noch den Stachel der Widerborstigkeit gegen traditionelle Formen, gegen bürgerliche Auslassungen von Sex und Gewalt war, das wurde in Amerika eine Art „Cinema Automatique“, in dem der Zufall, das Unbewußte die Kamera führte. Das Werk der aus Litauen stammenden Mary Menken aber entwischt jeglicher Eingrenzung.

Ihr erster Film Variations on Nogushi (1945) ist eine Fahrt durch das Skulpturenstudio eines Bildhauers. Sie zeichnet die feinen Maserungen des Holzes, die organischen Schwünge seiner Formen nach, mal kopfüber, mal angeschrägt, in einem von wunderlicher Musik (Lucille Dlugoszewski) begleiteten Rhythmus. Das ganze Spektrum von Menkens alchemistischer Filmkunst zeigt sich in Notebook. Komponiert von der leichten Hand eines en passent Bemerkenden sieht man Regentropfen auf eine Seeoberfläche prasseln, einen nächtlichen Fackelzug griechisch-epiphanischer Prozession, der einen ins Mittelalter zu beamen scheint, und schließlich den Mond hinter Wolken tanzend, durch wogendes Geäst erhascht. Ein Wind geht, die Dinge sind in Bewegung, rasche Schatten fallen, die Nacht lebt.

Ähnlich wie viele ihrer Zeitgenossen, die sich nie völlig von narrativen oder dramatischen Elementen lösten, trifft man auch in Menkens scheinbar abstraktesten Konfigurationen auf kleine Tragödien: Hurry Hurry öffnet mit einer atemberaubenden Explosion von Feuerwerkskörpern, die übergeht in den Tanz von Spermien unter dem Mikroskop, die von einem Spermatozid getötet werden. Unterlegt von Flammen und einer Geräuschkulisse aus dem Luftkrieg, entsteht eine Allegorie auf menschliche Sexualität, das Drama der Biologie.

Menken arbeitet mit einem enormen Spektrum visuellen Materials. Man kann sehen, wie der poetisch-psychologische Film der vierziger und die Überreste des Surrealismus der fünfziger Jahre langsam die Fühler zur Pop Art ausstrecken: Die Gegenstände

1wenden sich hin zu den Profanitäten des Alltags, Reklameschildern, Autos, Schaufenstern; die Kamerabewegungen sind holperig, assoziativ; statt ruhiger Komposition Eingriffe ins Tempo, Beschleunigungen statt Zeitlupe. Die Reihe im Metropolis zeigt auch Zeugnisse ihrer Zu-

1sammenarbeit mit ihrem Mann Willard Maas und Andy Warhol.

Kurze Zeit nachdem ihr Loft abgebrannt und sie selbst vom Alkohol aufgedunsen und zermürbt war, starb sie im Herbst 1970. Jonas Mekas, Gründer der ersten Film Makers Cooperative in New York

1und derzeit selbst Objekt eines filmischen Portraits von Peter Sempel, schrieb damals in seinem Nachruf: „Maries Filme waren ihr Blumengarten. Sie waren farbig und sehr süß und vollkommen und nicht zu mächtig...“ ma

Metropolis, 14., 15., 16.1.