Pauline, die Lieblingskuh

■ Die Galloway-Herde im Hollerland wächst mit ihrem Rinderwirt aus Liebe

Pauline, die Lieblingskuh

Die Galloway-Herde im Hollerland wächst mit ihrem Rinderwirt aus Liebe

Der Zuchtbulle im Hollerland schnauft kleine Atemwölkchen durch seine beringte Nase. Niki ist zur Zeit im „Arbeitseinsatz“ bei der Rindergilde Hollerland. Seine charmanten Locken in der breiten Stirn und das lange, wuschelige Fell verdankt er seiner ungewöhnlichen Rasse: den Galloways. „Sie ist vermutlich eine der ältesten Rinderrassen der Welt. Man glaubt, daß es sie in der Art schon zur Römerzeit gegeben hat“, erzählt Johannes Schettler-Wiegel, hauptamtlicher Rinderwirt.

Die Rindergilde ist eng veknüpft mit der Geschichte des Hollerlandes. Als 1985 vom Senat die Baupläne für ein Gewerbegebiet im Hollerland vorgelegt wurden, gründete Gerold Janssen eine Bürgerinitiative für die Erhaltung des Naturschutzgebietes Hollerland. Der Hollerländer Christian

Der Rinderwirt mit seinen Lieblingen Foto: Jörg Oberheide

Schneider strengte damals eine Klage vor dem Verfassungsgericht gegen die Baupläne an. Nach dem Motto „Einer für alle — alle für einen“ wurde ein Hollerland-Klage- Fond errichtet. Von den vielfältigen Prozessen die um das Naturschutzgebiet Hollerland folgten, blieb Geld in dem Klage-Fond übrig. Dies wurde beim BUND deponiert für den Zweck, den Naturschutz im Hollerland bei Bedarf zu fördern. Dieser Bedarf entstand, als die Idee der Rindergilde geboren wurde. Vor vier Jahren wurde aus dem Fond die erste Galloway- Kuh Kitty mit ihrem Fußkalb gekauft. Ein Argument für die Galloways war damals ihre robuste Natur. Die Rinder können immerzu im Freien sein.

Johannes Schettler-Wiegel hat sich bis vor zwei Jahren außer um die Rinder auch um die StudentInnen der Biologie an der Uni Bremen gekümmert. Dem gelernten Diplom-Biologen war das Thema Ökologie und Landwirtschaft schon immer ein Anliegen. In der Uni gründete er ein Projekt zur „extensiven Weidewirtschaft“: möglichst naturschonend. Diese Art der Landwirtschaft ist eine Frage der Vermarktung: „Was für eine Landwirtschaft stattfindet, hängt unmittelbar vom Verbraucher ab. Wer bei Aldi einkauft, fördert damit nicht die aufwendigere — und teurere - biologische Landwirtschaft“, sagt Schettler-Weigel.

Die Rindergilde im Hollerland hat 15 Mitlgieder. Im Frühjahr erwirbt jedes Gilde-Mitglied ein Achtel Rind. Im Herbst erhält er dafür ein Achtel Schlachtfleisch.

Hierhin bitte das Foto

mit den Rindern

auf der Weide

Geschlachtet werden nur die Bullen. Die Kühe bleiben und vergrößern die Herde. Doch auch den Bullen droht kein qualvoller Tod im Schlachthaus: Ein Hausschlachter auf dem Land verrichtet das blutige Geschäft.

Der Biologe ist nun auf dem Wege, Landwirt zu werden. Weg von der Theorie, hin zur Praxis. In seiner Küche hängt ein Zettel: Theorie ist, wenn jeder Bescheid weiß, aber nichts klappt, Praxis ist, wenn keiner Bescheid weiß, aber alles klappt. Durch die Unterstützung der Bauern in seiner Nähe lernt der Akademiker viel, „und manchmal gucken sie sich auch was ab“.

Ärgernisse bleiben dem Einsteiger-Landwirt ohne Hof nicht erspart: „Mir sind Sachen im Wert von 400.000 Mark geklaut worden. Zuletzt zum Beispiel der Futterstand. Das ist eigentlich das größte Problem, ich kann nichts investieren, alles von Wert wird geklaut.“ Seine Silvesternacht war von einer freudigen und einer traurigen Überraschung begleitet. Die 1.700 Mark teure Futterraufe wurde geklaut, und zwei Kälber kamen zur Welt.

Selbst den Kälbern macht die Kälte nichts aus, sie werden nur zum Unterstand gebracht, damit es ein klein wenig geschützter ist. „Ich wollte eigentlich zur Silvesterfete, und da kam ein Kalb. Um vier Uhr morgens war ich wieder kurz da, da stand schon das nächste da.“ Und zwei Tage später kam noch ein Bullkalb. „Das hervorragende kurzfaserige Fleisch der Galloways gilt als das beste Rindfleisch,

das es auf dem Markt gibt“, meint Schettler-Wiegel.

Die Kühe haben einen hohen Zuchtwert. Anfangs wurden fast nur Kuhkälber geboren, was die Herde innerhalb kurzer Zeit vergrößerte. Aus Kitty und ihrem Fußkalb ist eine Herde von fünfunddreißig kräftigen Tieren geworden. Obgleich sie so stämmig erscheinen, sind sie wesentlich leichter als die normalen Buntkühe, und haben auch relativ breite Füße. Deshalb treten sie selbst weicheren Boden nicht so schnell kaputt. Und hübsch sind sie, wirklich. Schettler-Wiegel kennt sie alle, und Pauline, die Lieblingskuh, folgt ihm auf der Weide wie ein Hund. Vivianne Agena