Regierungsdirektor in „rechter Psychosekte“

■ Wilhelm Spatz ist leitender Mitarbeiter in der Innenverwaltung und im Vorstand eines obskuren Vereins

Berlin. Darf ein Regierungsdirektor der Innenbehörde, was einem Jürgen Möllemann und vielleicht auch einer Irmgard Adam- Schwaetzer verboten ist? Wilhelm Spatz, als hoher Beamter in der Innenbehörde zuständig für Ausländerfragen, hat einen der taz vorliegenden Brief der „Gesellschaft zur Förderung der psychologischen Menschenkenntnis e.V.“ (GFPM) in seiner Eigenschaft als Vereinsvorstand und als Regierungsdirektor unterschrieben. Die in der Potsdamerstraße 68 ansässige „Gesellschaft“ ist der Berliner Ableger des „Vereins zur Förderung der psychologischen Menschenkenntnis“ (VPM), der in zwei Spiegel-Ausgaben vom Oktober und Januar als „rechte Psychosekte“ abgehandelt wird.

Der in Zürich gegründete Verein verschreckt Außenstehende unter anderem durch seine rigiden Vorstellungen, wie Aids und Drogensucht bekämpft werden sollen. Dabei scheint er allerdings selbst Süchte zu erwecken: Der Spiegel zitiert Aussteiger mit der Aussage, daß sich der VPM „den Menschen total“ nehme und die „Abhängigkeit vom Vereinstherapeuten Suchtcharakter“ trage. „Bei denen herrscht längst ein kollektiver Verfolgungswahn“, will der Stuttgarter VPM-Kritiker Hansjörg Hemminger bei dem obskuren Verein beobachtet haben, der bundesweit bereits rund 4.000 und in Berlin etwa 100 Anhänger hat. Auch Berlins Schulsenator Jürgen Klemann (CDU) steht dem besonders in Schulen und unter Lehrern aktiven VPM sehr kritisch gegenüber: Schlechte Erfahrungen mit einer von der GFPM angebotenen Fortbildungsveranstaltung hätten „zur Ablehnung der vorgelegten Angebote“ und „zur Einstellung des Kontaktes“ mit der unter anderem von Wilhelm Spatz geleiteten Gesellschaft geführt, beantwortete Klemann im August eine kleine Anfrage seiner Amtsvorgängerin Sibylle Volkholz (Grüne). Die GFPM, die offensichtlich nicht in der Lage ist, Kritik zu ertragen, verschickte daraufhin einen dicken Brief an mehrere Schulen. Tenor: Frau Volkholz wolle ein neues Berufsverbot einführen.

Kritiker geraten sehr schnell ins Visier

Das ist noch harmlos gegen andere Ausdrücke, mit denen VPM-Anhänger Kritiker überhäufen. In einer der taz ebenfalls vorliegenden und von mehreren hundert VPM- Fans unterzeichneten Anzeige in einer Schweizer Zeitung – Titel: „Gegen die organisierte Verhetzung des VPM“ – wird ein Kritiker beispielsweise als „Schreibtischmörder“ bezeichnet. Wilhelm Spatz nebst Ehefrau Beate hat diese Anzeige ebenfalls unterzeichnet – er wiederum als Regierungsdirektor, sie als Studienrätin. Und im oben erwähnten Brief greift Vorständler Spatz den Stuttgarter VPM-Gegner Hemminger mit den Worten an, er habe „enge Beziehungen zu linksextremen Kräften“ und sei „an der Verbreitung und Intensivierung einer Kampagne gegen den VPM beteiligt, die in alle Medien lanciert wird und inzwischen ein Ausmaß angenommen hat, daß man schon fast von einer Volksverhetzung sprechen muß“. Mit solchen und ähnlichen Formulierungen versuchte Spatz am 18. März 1992, den Prodekan des Fachbereichs Philosophie der Freien Universität zum Einschreiten gegen das im Sommersemester 1992 geplante Projekttutorium „Sekten im universitären Bereich“ zu bewegen. Dort sollte nämlich auch der VPM behandelt werden. Eine Sache, die den Regierungsdirektor anscheinend nicht mehr ruhen ließ. Denn Spatz war am 4. Oktober 1990 mit 59 Jastimmen und einer Enthaltung in den Vorstand des Berliner VPM-Ablegers gewählt worden – ob er immer noch als solcher tätig ist, war nicht auszumachen, da die letzte Eintragung im Vereinsregister aus dem Jahre 1991 stammt. Außerdem steht sein Name unter der Satzung des am 2. Februar 1991 in Zürich gegründeten „Europäischen Verbandes zur Förderung der psychologischen Menschenkenntnis“. Diesen Funktionen verpflichtet, wollte Spatz potentielle Kritiker diesmal wohl schon im Vorfeld mundtot machen. „Wir und der VPM in Zürich“, kündigte er am Ende des Schreibens an den Prodekan an, würden „gegebenenfalls alle uns zu Gebote stehenden rechtlichen Mittel in Anspruch nehmen“, um „unsere Arbeit gegen rechtswidrige und schmutzige Angriffe zu schützen“.

Das kann man Wilhelm Spatz wohl glauben, denn mit Justiz und Rechtsauslegung hat er auch im Beruf tagtäglich zu tun. Zahlreiche Negativbescheide an Ausländer, die vergeblich um die Legalisierung ihres hiesigen Aufenthalts kämpften, tragen seine Unterschrift. Außerdem sitzt er als Vertreter Berlins in der Arbeitsgemeinschaft der Ausländerreferenten der verschiedenen Bundesländer, die das neue Ausländergesetz überarbeiten. Der Bundestag hatte nämlich Mitte 1990 beschlossen, daß nach zwei Jahren geprüft werden soll, ob sich das neue Gesetz bewährt hat. Bei Anwälten und Ausländerinitiativen ist Wilhelm Spatz indes als einer berüchtigt, der es so restriktiv wie möglich auslegt und „mit dem man einfach nicht reden kann“.

„Da wäre ja die halbe Türkei hier und würde behaupten, sie sei homosexuell“

Dirk Siegfried, Rechtsvertreter eines homosexuellen Thailänders, mußte ebenfalls diese Erfahrung machen. Spatz hatte ihm im September in einem Telefongespräch angekündigt, daß sein mit einem Deutschen liierter Mandant wahrscheinlich nicht hierbleiben dürfe. Der Anwalt protokollierte damals das Gespräch in weiten Teilen mit. Auf seinen Hinweis, daß damit eine Partnerschaft zerstört werde, habe Spatz wörtlich entgegnet: „Dann muß er sich eben einen anderen suchen oder zum Psychologen gehen und diese Irritation (die Homosexualität, d. Red.) beheben lassen.“ Auf den Einwand, solch ein Denken entspreche dem vorigen Jahrhundert, habe Herr Spatz mit den Worten reagiert, dies sei der neueste Stand. Ein Aufenthaltsrecht für homosexuelle Partner habe der Regierungsdirektor sinngemäß mit den Worten abgelehnt: „Wo kämen wir denn da hin. Da wäre ja die halbe Türkei hier und würde behaupten, sie sei homosexuell, und sobald sie das Aufenthaltsrecht haben, sind sie wieder heterosexuell.“ Und weiter: „Demnächst kommen sie noch und behaupten, sie lieben Hunde und wollen für die ein Aufenthaltsrecht.“ Die Innenbehörde indes bestritt diese Darstellung des Gesprächs. taz