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Rehabilitierung von Diktator Antonescu?

Anhänger des Hitler-Verbündeten fordern eine Revision des Kriegsverbrecherprozesses des Jahres 1946/ Auch ehemalige Kommunisten huldigen dem Diktator  ■ Von William Totok

Seit dem Sturz des Ceaușescu- Regimes vor drei Jahren wiederholt sie sich regelmäßig: die Forderung, den 1946 als Kriegsverbrecher und Mitschuldigen am Holocaust zum Tode verurteilten militärfaschistischen Diktator und Hitler-Verbündeten Ion Antonescu zu rehabilitieren. In mehreren Großstädten, darunter Arad und Tirgu Mures, erhielten bereits Straßen seinen Namen, orthodoxe Geistliche zelebrierten Gedenkgottesdienste, und das Parlament veranstaltete 1991 sogar eine Antonescu gewidmete Feierstunde.

Die Forderungen verschiedener nationalistischer Parteien und Gruppierungen, allen voran die in der „Liga Ion Antonescu“ organisierte Anhängerschaft des Ex-Diktators, scheinen bei der Generalstaatsanwaltschaft nun auf offene Ohren gestoßen zu sein. Das komplizierte Revisionsverfahren soll, wie die Tageszeitung Romania Libera kürzlich meldete, Ende Februar eingeleitet werden und könnte in der derzeit politisch zerfahrenen Situation sogar zu Gunsten Antonescus ausfallen.

Vor allem die ehemaligen Hofschranzen Ceaușescus betreiben im posttotalitären Rumänien eine unausgesetzte Propaganda für Antonescu. So veröffentlichte beispielsweise der Abgeordnete der „Sozialistischen Partei der Arbeit“, Adrian Paunescu, eine dreibändige Würdigung des Marschalls, in der ein ehemaliger Mitarbeiter Antonescus unverblümt seine Bewunderung für Hitler darstellt: „Augen, wie die seinen, hatte ich noch bei keinem Mann gesehen! Sie waren so blau wie der Himmel nach einem Frühlingsregen. Erst jetzt konnte ich die in Hitler verliebten deutschen jungen Mädchen verstehen! Schon sein Anblick löste Liebe aus, erst seine Ansprachen!?! War er ein Genie?“

Inzwischen sind in Rumänien auch Dutzende Bücher erschienen, die die „hervorragenden Leistungen des großen Patrioten“ würdigen. Eines Patrioten, der auf eigene Initiative 300.000 Juden und Zehntausende Roma in von rumänischen Behörden errichteten KZs in Transnistrien (heute Moldova) vernichten ließ.

Die meisten Verfasser dieser Werke sind unter dem gestürzten nationalkommunistischen Regime als offizielle Parteihistoriographen aufgetreten. In der Nachwendezeit etablierten sie sich als Kolumnisten rechtsextremer Blätter, wie der antisemitischen und minderheitenfeindlichen Hetzgazetten Europa und Romania Mare (Groß-Rumänien), dem Organ der gleichnamigen, nun auch im Parlament vertretenen neofaschistischen Partei, der „Renasterea banateana“ (Banater Wiedergeburt) oder der „Natiunea“ (Die Nation).

Die beiden letztgenannten Postillen gibt der ehemalige Ceaușescu-Intimus und derzeitige Ehrenvorsitzende der ultranationalistischen Massenorganisation „Vatra Romaneasca (Rumänische Heimstätte), Iosif Constantin Dragan, heraus. Der von ihm finanzierte Medienkonzern Europa-Nova erhielt kürzlich sogar Lizenzen zur Errichtung privater Funk- und Fernsehstationen, die unabhängigen, jedoch oppositionellen Sendern verweigert wurden. Dragan erwirtschaftete sich als Exilant in Italien ein Millionenvermögen und sponsert seit Jahren militärfaschistische Schriften.

In einem nun auch in Rumänien von ihm herausgegebenen Buch, „Antonescu, der Marschall Rumäniens, und die Vereinigungskriege“ (1991), das aufgrund von Dokumenten aus dem Securitate- Archiv zustandegekommen war, wird nicht nur der Holocaust gerechtfertigt und bagatellisiert, sondern auch die absurdesten Vorwürfe gegen Roma und andere Minderheiten, vor allem Ungarn und Juden, erhoben. O-Ton aus dem Dragan-Buch: „Den heidnischen Zigeunern gelingt es in der Nacht, von der ihre Gesichter und ihre Seelen geprägt sind, ungesehen sogar hermetisch abgeriegelte Grenzen zu überschreiten. Ihre Hauptbeschäftigungen bestehen in Diebereien, die in ihr Blut übergegangen sind.“

Die Zahl der Antonescu-Bewunderer wächst nun auch in staatlichen Gremien. Wie anders ließe sich die Ernennung des notorischen Antonescu-Jüngers Serafim Duicu zum Staatssekretär im Kulturministerium erklären? Duica gab vor einiger Zeit das Buch „Ion Antonescu und die Eiserne Garde“ heraus, in dem die Jugend über die makellose Rolle des Marschalls aufgeklärt werden soll!

An der seit drei Jahren geführten öffentlichen Debatte um den umstrittenen Diktator Antonescu scheiden sich die Geister. Selbst die verhaltenen kritischen Stimmen seitens der demokratischen Opposition am Antonescu-Kult zeugen von politischer Unsicherheit, wenn es darum geht, dem Nationalismus eine Abfuhr zu erteilen. Die Antonescu-Gemeinde wird ihrerseits kontinuierlich von den Monarchisten angegriffen.

Die Antonescu-Anhängerschaft betrachtet den 1947 zum Rücktritt gezwungenen König Michael als wichtigsten Drahtzieher in dem gegen den Diktator zusammen mit den Sozialdemokraten, den Kommunisten, der Nationalen Bauernpartei und der Nationalliberalen Partei durchgeführten Putsch, der 1944 zur Entmachtung des Hitler-Verbündeten führte. Gleichzeitig beschuldigen sie den Ex-König, durch die Einstellung des „heiligen antibolschewistischen Krieges“ gegen die UdSSR Rumänien an die Kommunisten verkauft zu haben.

Die Ende der zwanziger Jahre von Corneliu Zelea Codreanu gegründete, christlich drapierte faschistische Legionärsbewegung (auch bekannt unter dem Namen „Eiserne Garde“) lehnt ihrerseits Antonescu ab, weil er nach dem Scheitern der sogenannten Rebellion die Partei verbieten und ihre Mitglieder verfolgen ließ. 1941 hatten die Legionäre, denen der ein Jahr zuvor an die Macht gekommene Antonescu mehrere Regierungsstellen anvertraut hatte, den Staatsführer zu stürzen versucht. Antonescu hatte seinerseits König Carol II. zum Rücktritt gezwungen. Carol, der Vater Michaels, entfesselte während der sogenannten „Königsdiktatur“, 1938 bis 1940, eine großangelegte Verfolgungskampagne gegen die Legionäre. Heute wird die Legionär- Zeitung Baricada (Barrikade) auch vom Springer-Konzern unterstützt, die „Partei der Nationalen Rechten“, die sich ebenfalls auf die nationalistischen Traditionen der Zwischenkriegszeit beruft, plädiert für die Wiederherstellung der Achse Berlin-Rom-Tokio.

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