Serben stimmen über Friedensplan ab

Das „Parlament“ der „bosnisch-serbischen Republik“ soll innerhalb einer Woche über UN-Friedensplan entscheiden/ Sollte es diesen ablehnen, will Karadžić zurücktreten  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Der bosnische Serbenführer Radovan Karadžić will als „Präsident“ der selbsternannten „Republik Srbska“ „zurücktreten“, wenn deren „Parlament“ die von den Vorsitzenden der Genfer Jugoslawienkonferenz, Cyrus Vance und David Owen, vorgelegten Verfassungsprinzipien für Bosnien-Herzegowina nicht akzeptiert. In einem Gespräch mit der taz äußerte Karadžić gestern in Genf jedoch die Erwartung, daß das „Parlament“ den Prinzipien „wenn auch nicht einstimmig, so doch mit Mehrheit zustimmen“ werde. Dazu bedürfe es jedoch „harter Überzeugungsarbeit“.

Nachdem sich Karadžić am Dienstag abend bereit erklärt hatte, sein Parlament über die Annahme der von ihm wochenlang strikt abgelehnten Prinzipien entscheiden zu lassen, hatte der Vorsitzende des „Parlaments“ in der Nacht zum Mittwoch eine Ablehnung vorausgesagt. Karadžić rechnet mit einer Abstimmung „nicht vor Dienstag nächster Woche“.

Die zunächst in einem Zehn- Punkte-Papier enthaltenen Verfassungsprinzipien der beiden Konferenzvorsitzenden fassen die wichtigsten Punkte eines von ihnen bereits Ende Oktober in die Genfer Verhandlungen eingebrachten Verfassungsentwurfes zusammen. Danach soll der bosnische Einheitsstaat bewahrt, jedoch in zehn Provinzen mit weitgehend nach ethnischen Kriterien gezogenen Grenzen aufgeteilt werden. Die Kompetenzen für die Außenpolitik und internationale Beziehungen sowie für einige Wirtschaftsbereiche sollen bei einer aus Serben, Muslimen und Kroaten gebildeten Zentralregierung in Sarajevo liegen.

Alle anderen Zuständigkeiten – darunter Polizei und Streitkräfte sowie das Erziehungswesen und die meisten Verwaltungsaufgaben – sind den Provinzregierungen zugeordnet.

Die Abspaltung einzelner Gebietsteile Bosniens und ihre Annexion von Serbien oder Kroatien werden in dem Verfassungsentwurf verboten. Im Verlaufe der Verhandlungen am Montag und Dienstag wurde dieser Zehn- Punkte-Text auf neun Punkte umgeschrieben – indem der Inhalt des ursprünglichen Paragraphen 4 (die „Anerkennung von drei konstitutionellen Volksgruppen in der Verfassung“) vollständig und ohne jegliche Veränderung in den 1. Artikel übernommen wurde.

Diese rein kosmetische Veränderung verkauft Karadžić jetzt gegenüber seinem „Parlament“ als „Erfolg“, den er „durchgesetzt habe“. Die substantielle Konzession der beiden Konferenzvorsitzenden an Karadžić erfolgte jedoch – von den meisten Beobachtern der Konferenz unbemerkt – bereits zum Beginn dieser Verhandlungsrunde am 2. Januar. In den an diesem Tag von ihnen vorgelegten 10 Verfassungsprinzipien war zum ersten Mal der Begriff „drei konstitutionelle Volksgruppen“ enthalten. Im Verfassungsentwurf von Ende Oktober lautete die Formulierung hingegen weit weniger formal „drei ethnische Gruppen“.

In dem gestrigen Gespräch machte Karadžić deutlich, daß die bosnischen Serben im Falle einer Zustimmung des „Parlaments“ versuchen werden, unter Berufung auf die Verfassungsformel von den „drei konstitutionellen Staatsvölkern“ ihre Maximalvorstellung vom eigenen Separatstaat in der Praxis soweit als möglich durchzusetzen. Die selbsternannte „Republik Srbska“ werde „wahrscheinlich nicht aufgegeben“ erklärte Karadžić.

Die bisher von Vance und Owen den Serben zugedachten drei Provinzen (Karadžić sprach statt dessen mehrfach auch von Staaten) würden weitgehende administrative Verbindungen aufnehmen und zahlreiche Lebensbereiche nach den gleichen Gesetzen und Vorstellungen regeln. Der im Kartenentwurf bisher nicht vorgesehene territoriale Zusammenhang zwischen den drei „serbischen Provinzen“ soll noch am Verhandlungstisch durchgesetzt werden. Die nach dem Kartenentwurf ausschließlich von Kroatien bzw. kroatischen und muslimischen Provinzen Bosniens umgebene größte serbische Provinz Banja Luka müsse „mit einer im Nordosten gelegenen und an Serbien angrenzenden Provinz verbunden“ werden, insistierte Karadžić. Daher müßten die Kroaten einen Teil der ihnen von Vance und Owen zugedachten dazwischenliegenden Provinz an die Serben abgeben.

Die bosnischen Kroaten, erklärte Karadžić, seien „noch mehr als wir an einem eigenen Staat interessiert“. Kroatenführer Boban habe das von Vance und Owen vorgelegte dreiteilige Abkommen (Verfassungsprinzipien, Kartenentwurf und Waffenstillstandsvereinbarung) nur deshalb bereits unterschrieben, weil „die Kroaten mit diesem Abkommen die größten territorialen Gewinne machen“ würden.

Zu territorialen Zugeständnissen an die bosnischen Muslime, die ihrerseits fünf Veränderungen der von Vance und Owen vorgeschlagenen Provinzgrenzen fordern, ist Karadžić nicht bereit. Die in den jeweiligen Gebieten lebenden Menschen sollten „auf demokratische Weise frei entscheiden, zu welcher Provinz sie künftig gehören wollten. In Regionen, wo ethnische Säuberungen stattgefunden haben, möchte Karadžić den Zensus von 1937 zur Grundlage der Entscheidung machen, welche Gebiete zu welchen Provinzen gehören wollen.