Umweltforscher für Energie-Abgabe

In der Anhörung des Bundestags zu einer CO2-Steuer finden die Argumente der Wissenschaftler bei der heimischen Wirtschaft jedoch wenig Gehör  ■ Von Hans-Martin Tillack

Bonn (taz) – Abgrundtiefe Inkompetenz ist noch lange kein Grund, in Bonn nicht als Experte geladen zu werden. „Ist CO2 wirklich schuld am Ozonloch?“ fragte Dieter Kohler, seines Zeichens Vizepräsident des Bundes der Steuerzahler. Kohler, der zur Anhörung des Finanzausschusses des Bundestages zu der von der EG- Kommission geplanten Energie- und CO2-Steuer geladen war, machte auch kein Hehl aus seiner Meinung: Sein Verband werde sich „mit allen Mitteln“ gegen die Steuer wehren.

Den anderen Experten, immerhin, war durchaus bekannt, daß Kohlendioxid mit dem Ozonloch wenig, mit dem Treibhauseffekt dafür um so mehr zu tun hat. Dennoch schälte sich eine klare Frontstellung heraus: Während Wissenschaftler und Forschungsinstitute aller Couleur fast einhellig für die Ökosteuer plädierten, wandten sich die Industrievertreter unisono gegen dieses Instrument. Die Abgabe würde bis zum Jahr 2000 Benzin um 6,7 Prozent verteuern und Strom für die Industrie um 15,7 Prozent verteuern, errechnete das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung. Auf die westdeutschen Privathaushalte kämen pro Monat durchschnittliche Mehrkosten von 20 Mark zu, in Ostdeutschland wären es zwölf Mark. Das sei doch „durchaus vertretbar“, so die Wissenschaftler.

Für den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) ist das, so gestern der von ihr entsandte Professor Wolfgang Ritter, kein Grund zur Beruhigung. Auf bestimmte energieintensive Branchen kämen hohe Belastungen zu, die sie aufgrund des internationalen Wettbewerbs nicht auf die Preise abwälzen könnten. Selbst innerhalb der EG müßten die deutschen Unternehmen Wettbewerbsnachteile befürchten: Wegen des hohen Anteils von Atomstrom in Frankreich würden die Strompreise links des Rheins deutlich weniger verteuert als in Westdeutschland. Die Energiesteuer, die die EG mit der CO2-Steuer kombinieren wolle, gleiche diesen Nachteil nicht aus.

Deshalb, so Ritters markige Worte, sei die Steuer schon im Ansatz „verfehlt“ und ein Beispiel für „Planwirtschaft“. Die Alternative von BDI und Deutschem Industrie- und Handelstag (DIHT): freiwillige Selbstverpflichtungen der Industrie, den Ausstoß der Treibhausgase sowohl an inländischen, wie auch an außereuropäischen Produktionsstandorten zu reduzieren. Die Industrievertreter zweifelten auch an der Wirksamkeit der Steuer. Bis zum Jahr 2000, so DIHT-Vertreter Alfred Richmann, würden die CO2-Emissionen nicht verringert, sondern lediglich ihr Anstieg begrenzt — statt um 10,9 würden sie EG-weit nur um 7,1 Prozent steigen. Die Wissenschaftler ließen dieses Argument jedoch nicht gelten. Die Wirkung der Steuer trete vor allem langfristig ein, argumentierte Ernst-Ulrich von Weizsäcker. Die anfangs relativ niedrigen Steuersätze – Dieter Teufel, der Direktor des Heidelberger Umwelt- und Prognoseinstituts würde sie gern verzehnfachen – würden durch die klare ökologische Lenkungswirkung hin zu Energieeinsparung und Energieeffizienz kompensiert. Deshalb, so Weizsäcker, sei die EG-Steuer „sehr innovativ und sehr vernünftig“.

Auf alle Fälle wäre eine EG-Initiative der „Startpunkt“ für weltweite Anstrengungen, fügte Weizsäckers Kollege Otto Gandenberger hinzu. Die Forschungsinstitute widersprachen auch der Befürchtung, die Industrie könnte zu stark belastet werden. Die Produktionskosten würden im Schnitt um 0,2 Prozent steigen, rechnete Weizsäcker vor. Energiesparende Wirtschaftszweige könnten sogar „aufblühen“. Nicht umsonst sehe die EG-Kommission zudem Ausnahmeregelungen für energieintensive Produktionsanlagen vor, erinnerte Teufel. Außerdem sei eine Aufkommensneutralität vereinbart worden: die Gelder sollten in anderer Form wieder zurückfließen.