Bundeswehr eilt in den Kampf: Hilferuf genügt

■ Koalition einig über Out-of-area-Einsätze auch ohne UNO-Mandat

Bonn (taz) – Deutsche Soldaten sollen sich künftig weltweit an Kampfeinsätzen von UNO, Nato und Westeuropäischer Union (WEU) beteiligen können. CDU/ CSU und FDP einigten sich gestern auf einen gemeinsamen Vorschlag zur Änderung des Grundgesetzes, nach dem die Bundeswehr neben UN-Einsätzen auch die Möglichkeit erhalten soll, ohne ein solches Mandat gemeinsam mit den Bündnispartnern von Nato und WEU militärisch einzugreifen, um „Nothilfe“ für Angriffsopfer zu leisten.

Die Fraktionen von CDU/CSU und FDP billigten diesen Vorschlag gestern in eigens einberufenen Sondersitzungen mit überwältigenden Mehrheiten. In der Unionsfraktion gab es drei Gegenstimmen, in der FDP-Fraktion stimmte lediglich der Abgeordnete Wolfgang Lüder gegen den Kompromiß. Die Regierungsparteien wollen ihren Entwurf bereits am Freitag in erster Lesung im Bundestag beraten lassen. Die SPD, deren Stimmen für eine Änderung des Grundgesetzes notwendig sind, lehnte den Koalitionsvorschlag in scharfem Ton ab.

Im einzelnen vereinbarten die Koalitionspartner, daß die Bundeswehr sowohl bei sogenannten friedenserhaltenden Blauhelm-Einsätzen wie auch bei „friedensherstellenden“ Kampfeinsätzen die Möglichkeit zur Teilnahme haben soll, soweit ein Beschluß des UN-Sicherheitsrats vorliegt. Die Bundeswehr soll sich daneben auch an friedenserhaltenden Einsätzen „im Rahmen von regionalen Abmachungen im Sinne der UN-Charta“ beteiligen. Gemeint ist die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE). In all diesen Fällen soll eine absolute Mehrheit der Stimmen im Bundestag genügen, um die Bundeswehr in Marsch zu setzen.

Darüber hinaus rang die Union der FDP auch die Zustimmung zu Out-of- area-Einsätzen von Nato, WEU oder KSZE ab, die „in Ausübung des Rechtes zur kollektiven Selbstverteidigung gemäß Artikel 51 der UN-Charta“ stattfinden. Nach den Worten von CDU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble bedeutet dies, daß die Bundesrepublik gemeinsam mit den Bündnispartnern zugunsten von Staaten eingreifen kann, die Opfer eines Angriffs sind und Nato, WEU oder KSZE zu Hilfe rufen. Für solche Einsätze benötigt die Bundesregierung jedoch, so der Koalitionskompromiß, eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag. Wegen dieser Regelung sei das Ergebnis auch für die FDP „vertretbar“, erklärte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.

Nach den Worten von FDP-Fraktionschef Hermann Otto Solms bleibe es auch hier bei der „Oberhoheit des Sicherheitsrats“. Laut UN-Charta erlösche das Recht zur Intervention, sobald der Sicherheitsrat einen anderslautenden Beschluß fasse. Könne er sich aufgrund eines Vetos eins seiner Mitglieder hingegen nicht einigen, bleibe der Einsatz rechtens. Außenminister Klaus Kinkel (FDP) ließ betonen, daß solche Einsätze von Nato oder WEU aufgrund ihrer Satzungen zur Zeit noch nicht erlaubt seien. Solange diese nicht geändert seien, blieben solche Einsätze out of treaty.

Hans-Martin Tillack

Seiten 4 und 10