Schüler kochen, tanzen und lernen gegen Gewalt

■ Projekttage gegen Rassismus und Gewalt an den sechs Tempelhofer Gymnasien

Tempelhof. „Ein strenggläubiger Hindu ißt kein Fleisch. Er muß nämlich befürchten, er könne gerade seinen Großvater verspeisen, der zur Strafe als Tier auf die Erde zurückgekehrt ist. Kühe sind außerdem sowieso heilig“, erklärt das Mädchen, das in einem grünen bauchfreien Sari im Flur der Luise- Henriette-Oberschule (LHO) steht und indisches Brot mit Soße und eine Süßspeise aus Mohrrüben, Mandeln, Pistazien und Kardamom verkauft. „Über das Essen lernt man viel über die Kultur und Religion von einem Land.“

Im nächsten Klassenraum arbeiten fast 40 SchülerInnen zum Thema „Die Rolle der Frau im rechten Umfeld und die Werte der Frauen anderer Kulturen“. „Zuerst haben wir anhand von politischen und biologischen Texten versucht, verschiedene Rassismusbegriffe zu untersuchen“, sagt Roswitha Zimmermann, die als Studienrätin normalerweise Biologie und Chemie unterrichtet. „Dann behandelten wir die Rolle der Frau in muslimischen Gesellschaften und in Asien.“ Weitere Schwerpunkte sollen Frauen in Ost und West, in der rechtsextremen Szene und Gewalt gegen Frauen sein.

An den sechs Tempelhofer Gymnasien begannen gestern die Aktionstage gegen Gewalt und Rassismus, die heute fortgesetzt werden. „Wir wollten auf die rechtsradikalen Ausschreitungen im letzen Jahr reagieren. Wir wollten die Schüler näher an das Thema heranführen und ein besseres Verständnis gegenüber anderen Kulturen schaffen“, sagt Matthias Engel, der mit anderen SchülerInnen die letzten Herbstferien der Vorbereitung des Projekts geopfert hat. An den Schulen habe es noch keine Übergriffe gegeben, aber so weit solle es nicht kommen. „Ein gewisses Kokettieren mit rechten Äußerungen habe ich bei jüngeren Schülern schon beobachtet“, sagt Alexander Gumz von der Askanischen Oberschule. Einmal habe bereits „Heil dem Führer“ an einer Tafel gestanden. Felix Clauß von der Eckener-Oberschule ist selbst überrascht. „Leute, von denen wir das nicht gedacht hätten, arbeiten intensiv mit.“

Die Aktionstage wurden von den SchülerInnen selbst vorbereitet. „Wir haben uns dabei sehr zurückgehalten“, sagt Armin Rath, Schulleiter der LHO. Es freue ihn nicht nur, „wie hervorragend die Schüler das alles organisiert haben“, sondern auch, wie ernsthaft die SchülerInnen zu diesem Thema arbeiteten. „Mir ist jetzt für die Zukunft nicht mehr so bange.“

Anstelle des regulären Unterrichts finden Arbeitsgruppen zu Themen wie „Märchen und Mythen“, „Rechtsradikale Medien“, „Vorurteile“, „Rassismus und Regierung“, „Rassismus im Ausland“ statt. Andere untersuchen die Rolle der in- und ausländischen Medien, besuchen Asylbewerberheime, fragen nach biologischen oder genetischen Hintergründen für Gewaltverhalten, lernen Bauchtanz oder entwerfen Rollenspiele. Wieder andere proben Szenen aus der „Stadt der Gerechtigkeit“. Die Musical-AG will das Thema tänzerisch darstellen.

Als Abschluß findet heute ein gemeinsamer Demonstrationszug statt, der um 13 Uhr 30 vom U-Bahnhof Alt-Mariendorf zum Rathaus startet. Die Ergebnisse der Theater-, Musical- und Musik- AGs werden am nächsten Dienstag 20 Uhr in der LHO, Germaniastraße 4-6 aufgeführt. Corinna Raupach