Es bleibt viel zu tun

■ Frankreich: Ein neues "Magazin gegen die Arbeitslosigkeit"

Paris (taz) – Für unser Computer-Geschäft wollten wir eine dritte Verkäuferin einstellen“, schrieb die Chefin einer Pariser Firma mit 130 Angestellten an die französische Tageszeitung Le Monde. „Ich gab eine Annonce auf, die nicht einmal besonders attraktiv war, die Bezahlung war auch nicht angegeben. Daraufhin erhielten wir 800 Bewerbungen. Von den Kandidatinnen wären mehr als 600 für diesen einen Posten geeignet gewesen. 200 der Frauen beherrschten sogar ein oder zwei Fremdsprachen.“ Rein rechnerisch, so schlußfolgert die erschrockene Chefin, müßte sich also jede Kandidatin auf 800 Stellenangebote bewerben, um eine Chance zu haben.

Die französische Regierung versucht seit Monaten, das Heer der Arbeitslosen durch sogenannte Solidaritätsverträge und andere Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sowie statistische Kunstgriffe unter der magischen Schwelle von drei Millionen zu halten. Doch es nützt alles nichts: Sie dürfte dieser Tage überschritten werden, denn neue Massenentlassungen sind längst angekündigt – die jüngste Hiobsbotschaft kam vom Automobilhersteller Peugeot: 2.597 Angestellte müssen die Firma verlassen. – In dieser beklemmenden Entwicklung hat ein Zeitungsmacher jetzt eine Marktlücke entdeckt: Zum neuen Jahr mit seinen überaus düsteren Aussichten brachte der Herausgeber Bertrand Lobry eine neue Zeitschrift auf den Markt, Name: Rebondir – auf deutsch: wieder in Schwung kommen, wiederaufleben –, „das Magazin gegen die Arbeitslosigkeit“. Das Blatt richtet sich an alle Arbeitslosen, und – um die Klientel noch zu erweitern –, auch an alle Arbeitnehmer, „die sich um ihre Firma, ihren Beruf oder ihre berufliche Zukunft Sorgen machen“ – also die allermeisten. Das ziemlich farbige Heft erscheint einmal im Monat und kostet knappe 5 Mark – schließlich hätten Arbeitslose auch genug Geld, um sich Zigaretten zu kaufen, meint Lobry. Drei einfache Überlegungen hätten ihn auf die Idee gebracht, eine solche Zeitung zu machen, erklärt der Herausgeber, der vor neun Jahren bereits das Wirtschaftsmagazin Defis („Herausforderungen“) gegründet hat. Erstens: Niemand kann sicher sein, daß er oder sie von Arbeitslosigkeit verschont bleibt. Zweitens: Kein Industrieland ist in der Lage, das Problem zu lösen. Daraus folgt drittens: Für die Arbeitslosen bleibt viel zu tun – und eben das verspricht das Heft.

In ermutigender positiver Sprache will es praktische Ratschläge vermitteln, zum Beispiel: Wie kann ich den Beruf wechseln? Wie bereite ich mich auf ein Einstellungsgespräch vor? Wie verbessere ich meinen Lebenslauf? Welche Berufsgruppen sind von der Arbeitslosigkeit verschont? Die zweite Leitidee von Rebondir: Als Arbeitsloser sollte man von seiner freien Zeit auch profitieren, also leben, und nicht nur leiden – das Heft regt gymnastische Übungen, Museumsbesuche und verbilligten Winterurlaub an. Was das Heft nicht bietet und auch in Zukunft nicht einführen will, sind Stellenanzeigen. Hilfe zur Selbsthilfe heißt vielmehr die Philosophie, Beispiel: Welche Subventionen gibt es, wenn man eine Firma gründen will? Rebondir ist die erste Zeitung in Europa, die Arbeitslosigkeit zum Hauptthema erklärt. Falls das Konzept in Frankreich erfolgreich ist, dürfte es in den Nachbarländern Schule machen – die Zielgruppe wächst überall. Bettina Kaps