„Ja nichts mit dem Körnerkram!“

■ Gourmet-Köchin Hessler: Das Wort Vollwertkost darf nicht in der Karte stehen

Doris-Katharina Hessler gilt als die einzige unter den deutschen KöchInnen der Spitzenklasse, die ihre Menüs nach den Regeln der Vollwerternährung zubereitet. Die 44jährige begann als Hobbyköchin, inzwischen fehlen ihre Kochkünste in keinem Gourmetführer mehr. Sie kocht im Hessler in Maintal-Dörnigheim.

taz: Was gibt es bei Ihnen heut' abend leckeres Vollwertiges?

Doris-Katharina Hessler: Auf der Karte biete ich Vollwertgerichte gar nicht an. Ich arbeite einfach nur nach den Prinzipien der Vollwertküche. Wenn bei mir ein Gast kommt und sagt, er möchte vegetarisch oder vollwertig essen, dann mach' ich ihm das. Wir sind ja nach wie vor ein Gourmet-Restaurant. Ich verwende also beispielsweise keinen Industriezucker und kein Weißmehl; wir mahlen alles selbst. Viel Wert lege ich darauf, daß die Gemüseportionen einen größeren Stellenwert haben. Ich sehe Fleisch eher als Beilage.

Vollwertkost steht nicht in der Karte? Wie kriege ich als Gast dann raus, daß Sie vollwertige Küche anbieten?

Viele Leute wissen das, es kommen hauptsächlich Stammgäste. Wir haben das Wort Vollwertkost eine Zeitlang in die Karte reingenommen. Da waren einige Gäste ganz schön verschreckt. Manche haben auch gesagt: Oh bitte, ja nichts mit dem Körnerkram! Die Leute meinen, daß Vollwertkost nur Körnerkost ist. Wir haben dann gesagt, wir nehmem das jetzt gar nicht in unsere Karte und machen halt einfach. Es gibt ein paar Gerichte, die ohne Fleisch sind. Wir haben auch schon achtgängige Menüs ohne Fleisch und Fisch verkauft.

Sind denn Kulinarisch und Körner Gegensätze?

Ich sehe eigentlich keine. Ich ersetze einfach die Industrieprodukte durch Vollwertiges. Das heißt also, beim Getreide ist es das volle Korn, und ich verwende ansonsten alles frisch und nehme nichts aus der Dose. So verstehe ich vollwertige Ernährung. Dazu gehört ja ohne weiteres Fleisch und Fisch. Es muß nur in einem ausgewogenen Verhältnis stehen.

Verwenden Sie Zutaten aus biologischem Anbau?

Ich kaufe meine Sachen in Frankfurt am Großmarkt ein. Dort gibt es teilweise biologisch angebaute Gemüse. Wenn ich so was sehe, das kaufe ich natürlich. Außerdem habe ich meine kleinen Bauern, die mir zusätzlich was liefern. Ich versuche halt möglichst, Ware aus Deutschland zu bekommen, sofern das möglich ist. Und nichts aus Holland oder Belgien.

Wann flog denn das Wort Vollwertkost aus ihrer Karte raus?

Vor einem Jahr. Als ich „Meine Vollwertküche“ geschrieben habe. Das hat inzwischen auch der Verleger eingesehen. Diese Bücher lassen sich so schlecht verkaufen mit dem Namen.

Wegen des Namens?

Ja, das ist jetzt eingestellt worden. Bei den anderen Büchern, die ich schreibe, wird das Wort Vollwert nicht erwähnt, also nicht im Titel. „Die feine Naturküche“ heißt es jetzt.

Was für ein Wort würde ihnen denn statt Vollwert einfallen?

Einfach: natürliche Ernährung.

Sie haben gesagt, dieses Kochen sei eine Rückbesinnung auf die alte Küche...

... auf die natürliche Ernährung, wie es sie vor zig Jahren gab, als es noch keine Industrie gab. Interview: cif