Elfter Ustica-Zeuge ermordet

■ Pensionierter General in Brüssel durch Messerstiche getötet

Rom (taz) – Elfter mysteriöser Todesfall unter den Zeugen über den 1980 erfolgten Abschuß einer italienischen DC-9-Passagiermaschine über der Mittelmeerinsel Ustica: Nachdem in den vergangenen Jahren bereits zehn Personen jeweils kurz nach Erklärungen zur Sache umgekommen waren, wurde Dienstag der pensionierte General Roberto Boemio, 58, vor seiner Wohnung in Brüssel durch Messerstiche getötet.

Da die Brieftasche des ehemaligen Luftwaffenoffiziers – mittlerweile als Rüstungslobbyist für Aereospace tätig – fehlt, kommt auch Raub als Motiv in Frage. In Italien hat aber der Mord große Aufregung verursacht: General Boemio war zu einer Schlüsselfigur im Zusammenhang mit der Aufklärung des Desasters aufgestiegen, bei dem 81 Menschen den Tod gefunden hatten: Als Kommandant der Luftwaffenbase Martina Franca hatte er nicht nur den Flugverkehr in der Unglücksnacht mitverfolgt, sondern auch die Bewegungen des US-Flugzeugträgers „Saratoga“ bemerkt und mit seinen Aussagen – elf Jahre nach der Katastrophe – ein Erdbeben ausgelöst. Mehr als ein Dutzend hohe Offiziere, darunter fünf Generäle, müssen sich nun wegen Meineids, Strafvereitelung und Dokumentenfälschung verantworten. Sie hatten immer versichert, es habe in jener Nacht keine militärischen Flugbewegungen gegeben.

Außerdem wußte Boemio offenbar viel über eine angeblich libysche MiG-Maschine, die nahezu gleichzeitig mit der DC-9 weiter östlich ins Gebirge abgestürzt war und im Verdacht stand, mit dem Abschuß der DC-9 zu tun zu haben: Die MiG, so Boemio, kann wegen ihrer geringen Reichweite nicht aus Libyen gekommen sein, sondern muß von einer italienischen Basis oder von einem Flugzeugträger aufgestiegen sein. rai