Plutoniumstaat in der Wagenburg

■ Tumulte zum Auftakt der Anhörung über den Einsatz von Mox-Brennelementen im Atomkraftwerk Gundremmingen

Augsburg (taz) – Die größte Halle in Augsburg, die Schwabenhalle, ist weiträumig abgesperrt. Schon 300 Meter vor der Halle hat die Polizei die Straße dichtgemacht. Um die Messehalle aus Stahl und Glas herum haben die Behörden einen zweiten Ring aus Gitterzäunen, roten und grauen Containern gezogen. Die Container dienen als Schleuse für die Bürger, die Einwände gegen den Einsatz plutoniumhaltiger Mox- Brennstäbe im bayerischen Atomkraftwerk Gundremmingen erhoben haben – wie eine Wagenburg, schimpfen die Einwender.

Wen die Absperrungen selbst nicht stören, der flucht doch zumidest über die Nässe. Nur Einwender, die sich von den Behörden vorab einen Extraausweis hatten ausstellen lassen, konnten den Verteidigungswall des Staates schnell passieren. Alle anderen mußten im strömenden Regen Schlange stehen. Der Ausfall des Computers, in dem alle 40.000 Einwender gespeichert waren, verschärfte die Situation der triefnassen Einwender weiter.

Auch in der Halle sind die Einwender offensichtlich unerwünscht. Die rund 2.000 Stühle und Tische für sie haben die Behörden sicherheitshalber auf Spanplatten verschrauben lassen. Der Rechtsanwalt der Bürgerinitiativen, Wolfgang Baumann, fühlt sich „an Stammhein erinnert. Wir sind keine Leute, die Stühle als Waffen gebrauchen“, empört er sich.

Während hundert Einwender noch im Regen stehen, wollten die Behörden gestern schon beginnen. Ein gellendes Pfeifkonzert ist die Folge. Als die Rufe „Alle wollen rein“ auch nicht nützen, stürmen dreißig, vierzig Frauen und Männer auf das fast zwanzig Meter entfernte Podium zu, auf dem die Leiterin des Anhörungstermins, Edeltraut Böhm-Amtmann, thront. Der Staat lenkt ein, die Anhörung wird unterbrochen, bis alle Einwender im Saal sind.

Der Sprecher des bayerischen Umweltministeriums, Robert Schreiber, kann sich den Unwillen der Einwender gestern trotz allem nicht erklären. Bei einem vom Prinzip her nichtöffentlichen Erörterungstermin sei ein gewisser Sicherheitsaufwand eben erforderlich.

Erfahrene Einwender wie Eduard Bernhard vom Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) sehen das anders: „In zwanzig Jahren habe ich bei siebzehn atomrechtlichen Anhörungsverfahren noch nie solche erniedrigenden Umstände erlebt wie hier in Augsburg.“

Inhaltlich zur Sache geht es gestern erst in der Mittagspause. Rechtsanwalt Wolfgang Baumann erklärt, er habe einen Tag vor dem Erörterungstermin die vorläufige Stillegung des Kernkraftwerks Gundremmingen (Blöcke B und C) beim bayerischen Umweltministerium beantragt. Die Betriebsgenehmigung und die Errichtungsgenehmigung für das AKW Gundremmingen weise dieselbe „fehlerhafte Struktur auf“ wie die des stillgelegten AKW Mülheim-Kärlich. Jetzt für Gundremmingen auch noch den Einsatz gefährlicher MOX-Brennelemente zu genehmigen, sei eine grobe Verletzung des Rechtsstaatlichkeitsprinzips. Heute wird der Augsburger Erörterungstermin fortgesetzt. Klaus Wittman