Merkwürdige Chefsache

■ betr.: "Bundesanwälte jagen Eierwerfer", "Das Ei des Alexander", taz vom 9.1.93

betr.: „Bundesanwälte jagen Eierwerfer“, „Das Ei des Alexander“ (Querspalte), taz vom 9.1.93

Obwohl ich Eierwürfe nicht für gut heiße, weil sie kein taugliches Mittel der politischen Auseinandersetzung sind, finde ich es bemerkenswert, daß die Eierwürfe auf den Bundespräsidenten bei der Berliner Kundgebung zur Chefsache der Generalbundesanwaltschaft erklärt wurden. Wenn tätliche Angriffe auf Asylsuchende und Körperbehinderte oder Andersdenkende, Brandanschläge von Rechtsextremisten erfolgen, Neonazis Juden und Ausländer beschimpfen, beleidigen und Morddrohungen aussprechen, Stätten des Antifaschismus und Gedenkstätten für ermordete Juden des Dritten Reiches schänden, dann tut man sich schwer, einzuschreiten, zu ermitteln und entsprechend zu bestrafen.

Sobald man etwas spürt, was nach linker Bewegung riecht, oder der Verdacht besteht, sich kritisch zur verfehlten Politik der herrschenden Politiker zu verhalten, wie in Berlin, wo die Heuchelei zur Asylpolitik, auch von Herrn von Weizsäcker, offen verurteilt wurde, und nicht nur von einer Handvoll Eierwerfern, sondern von der Mehrzahl der Kundgebungsteilnehmer, was tausendfach auf Transparenten zu lesen war, schreitet man bis in die höchsten Stellen ein.

Es ist einfach falsch, wenn man behauptet, daß die Eierwürfe von Berlin das Ansehen der BRD im Ausland geschädigt hätten, vielmehr haben die Deutschen an Ansehen verloren durch die Unentschlossenheit, härter gegen die Neonazis und Terroristen aller Schattierungen vorzugehen, den zunehmenden Ausländerhaß, der durch die regierungsamtlichen Maßnahmen gefördert wird, wie das beabsichtigte neue Asylverfahren, oder das Dichtmachen der Ostgrenzen der BRD, wie das von Herrn Seiters und der Landesregierung von Brandenburg, mit dem SPD-Ministerpräsidenten Stolpe an der Spitze, begrüßt wird.

Ich hoffe auf die politisch richtige Bewertung durch Herrn von Weizsäcker und daß er infolgedessen seine Ermächtigung zur Ermittlung der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe nicht erteilt. Werner Müller, Halberstadt