■ Press-Schlag
: Legende im Nacken

„Und am siebten Tag schuf Gott Montana“, pflegten die Fans der San Francisco 49ers auf Transparenten zu predigen, wenn der Mann mit dem überirdischen Wurf das Spielfeld betrat. „Man sollte einen Bundesstaat nach ihm benennen“, grollten gegnerische Trainer und hofften, daß „dieser Kerl“ bald aufhört. Gegen Montanas präzise Pässe war kein Football-Kraut gewachsen, vier Super-Bowl-Gewinne brachten sie den 49ers. Montana, darin waren sich alle einig, war der beste Quarterback aller Zeiten, unvorstellbar, daß er jemals auch nur eine Sekunde gegen seinen Willen auf der Reservebank verbringen würde.

Doch der Zahn der Zeit nagt auch an Halbgöttern, und ganz besonders an denen des Sports. Das Malheur begann damit, daß der New York Giant Leonard Marshall seine drei Zentner auf dem feingliedrigen Montana ablegte. Wundersamerweise trug dieser nur eine Handverletzung davon. Kaum genesen, streikte der Ellenbogen. Fast zwei Jahre lang war „Wonder Joe“ verletzt, doch jetzt ist er wieder fit. Und darf nicht mitspielen. Die Abwesenheit der legendären Nummer16 war die Chance für Steve Young, ein begnadeter Spieler, der mühelos die meisten anderen Quarterbacks der NFL aus ihrem Team verdrängen könnte. Kaum war er aus dem Schatten Montanas herausgetreten, gelangte er zu höchsten Ehren. Vor zwei Wochen wurde er zum „Offensivspieler der Saison“ gewählt, wie bereits im letzten Jahr war seine Paß-Effizienz die höchste der Liga. 66,7 Prozent seiner Würfe kamen an. Mit Young erreichten die 49ers das Play-off-Halbfinale, in dem sie am Sonntag nur noch die Dallas Cowboys bezwingen müssen, um am 31.Januar – entweder gegen die Buffalo Bills oder die Miami Dolphins – erneut um die Super Bowl spielen zu dürfen .

Dennoch gibt es nicht wenige, die das wünschen, was ein weiblicher Talk-Show- Gast im Radio unverblümt aussprach: daß sich Steve Young das Bein brechen möge. Die Fans wollen Montana, auch wenn der Lack am Mythos des 36jährigen inzwischen einige Kratzer bekommen hat. Die Rede ist oft nur noch von „einem der besten Quarterbacks aller Zeiten“, und auch vor Hohn ist er, der einst über allen thronte, nicht mehr gefeit. „Der schmeißt sich doch schon hin, wenn du ihn anpustest“, spottete ein Gegenspieler.

Wirft sich Joe Montana jedoch am Spielfeldrand warm, geht ein Brausen durchs Stadion, und Steve Young weiß: Wenn er sich Fehler leistet, wird das Brausen zum Orkan. Das zehrt an den Nerven, im gewonnenen Viertelfinale gegen die Washington Redskins verlor er gleich viermal den Ball. „Young ist im Moment unsere Nummer eins“, versichert 49ers-Präsident Carmen Policy, doch schon ein kleines Versagen am Sonntag könnte bedeuten, daß der beste Quarterback der letzten beiden Jahre das Match um die Super Bowl vom Spielfeldrand verfolgen muß. Matti