■ Die Festnahme von Mafia-Boß Riina kommt vielen gelegen
: „Toto“ der Dinosaurier

Daß Salvatore „Toto“ Riina ein hochgefährlicher, blutrünstiger Killer und wichtiger Mafia-Boß ist, steht außer Zweifel. Zweifelhaft ist jedoch, ob dies wirklich, wie Italiens Polizei und Politiker versichern, ein sensationeller Schlag gegen die Mafia ist. Derlei nämlich geschah schon oft – und immer in zeitlicher Nähe zu unangenehmen Vorgängen im Umfeld der Regierung. Mitte der 60er Jahre wurde angeblich die gesamte Spitze der palermitanischen Mafia verhaftet – um kurz danach wieder frei zu sein. Erst viel später kam heraus, daß die Regierung damit von der Entdeckung mehrerer Putschversuche der Geheimdienste abgelenkt hatte. 1982 wurden mehr als 700 angebliche Top-Mafiosi verhaftet – dafür dachte niemand mehr an die Massaker bei rechtsterroristischen Attentaten; heute sitzen nicht einmal mehr 100 der damals festgenommenen Mafiosi ein. 1986 erwischte man den damals als „Boss der Bosse“ gehandelten Michele Greco – er bekam zwar lebenslänglich, erwies sich aber als unbedeutende Nummer innerhalb der Mafia. Dafür konnten sich die 1982 aufgelösten kriminellen Geheimlogen um die „Propaganda 2“ unbehindert neukonstituieren.

Auch um Riina rankten sich in der letzten Zeit viele Legenden – er soll eine Art mafioser Weltregierung aufgebaut haben; eine Menge Leistung für einen Halb-Analphabeten und ehemaligen Schafhirten. Seine Festnahme war, darin stimmen viele Experten überein, schon seit langem möglich, doch noch nie paßte sie so gut ins Konzept wie heute: Nicht nur braucht die allseitig bedrängte Regierung Erfolge. Auch die in riesige Korruptionsskandale verwickelten Top-Politiker sind für Ablenkung dankbar, zudem können die festnehmenden Carabinieri sich wieder profilieren – sollte ihre Sondereinheit ROS doch demnächst zugunsten der nach FBI-Muster organisierten Bundespolizei DIA aufgelöst werden. Daß diese ihrerseits blamiert dasteht – sie hatte Riinas Festnahme für die nächsten Tage geplant – sei hier nur als Witz am Rande erwähnt.

Weiterere Profiteure des Coups finden sich auch im feindlichen Lager: Vor allem die Nachrücker der Mafia sind an der Eliminierung ihrer alten Capi interessiert: Sie wollen die immensen Güter ihrer Väter möglichst ungehindert in den legalen Finanzkreislauf pumpen, da sind Dinosaurier Marke Riina mit ihren rauchenden Colts eher im Wege. Der sizilianische Schriftsteller Leonardo Sciascia schrieb schon in den 60er Jahren: „Wenn man bei uns in Sizilien die Mafia zu bekämpfen beginnt, bedeutet das nur, daß es bereits eine neue, mächtigere Mafia gibt.“ Werner Raith, Rom