Lästige Wahlkampfversprechen

Der künftige US-Präsident Clinton will wie sein Vorgänger die US-Küstenwache anweisen, haitianische Boat people ohne Anhörung des Asylbegehrens zurückzuschicken  ■ Aus Washington Andrea Böhm

Wenige Tage vor seiner Amtseinführung hat Bill Clinton begonnen, die ersten, lästigen Wahlkampfversprechen auf Eis zu legen. In einer Radioansprache, die gestern nach Haiti übertragen wurde, erklärte er, daß auch nach seinem Amtsantritt haitianische Boat people bis auf weiteres von der Küstenwache aufgegriffen und ohne Anhörung ihres Asylbegehrens nach Haiti zurückgeschoben würden.

Diese Praxis war im Mai letzten Jahres auf Anordnung des US-Präsidenten George Bush eingeführt und von Clinton sowie Menschenrechtsgruppen, Kongreßabgeordneten und auch der UNO scharf kritisiert worden. Wie gestern aus Kreisen der Küstenwache verlautete, wollen die USA sogar eine Art Blockade-Ring errichten, um haitianische Flüchtlinge daran zu hindern, überhaupt in See zu stechen. Vor Journalisten erklärte Clinton, sein Ziel sei es, Leben zu retten, da bei dem befürchteten Massenexodus zahlreiche Boat people ertrinken könnten. Seine Aussagen während des Wahlkampfs seien offenbar mißverstanden worden. Am 27. Mai 1992 hatte er gesagt: Die Flüchtlingspolitik der Bush-Administration sei „ein weiteres Beispiel für die kaltschnäuzige Reaktion der Regierung auf eine menschliche Tragödie. Solange es keine zwingenden Beweise dafür gibt, daß diese Menschen nicht politisch verfolgt sind, würde ich ihnen als Präsident vorerst Asyl gewähren, bis wir in Haiti die gewählte Regierung wieder eingesetzt haben.“ Clintons vorläufige Kehrtwende macht auch deutlich, daß sein außenpolitischer Berater Brian Atwood mit seinen Vermittlungsversuchen zwischen dem gestürzten Präsidenten Jean Bertrand Aristide und den haitianischen Militärs noch keinen Durchbruch erzielt hat.

Aufgrund der Befürchtungen eines Massenexodus haitianischer „Boat people“ nach Clintons Amtsantritt hatte die zukünftige Administration in Zusammenarbeit mit der Bush-Regierung sowie Vertretern der UNO und der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in den letzten Wochen alles daran gesetzt, Aristide und General Cedras zu einem Kompromißkurs zu drängen. Inzwischen soll das Militär in Port-au- Prince nach Angaben der Washington Post erstmals schriftlich zugesichert haben, die Präsidentschaft Aristides anzuerkennen, der im September 1991 gestürzt worden war. Im Gegenzug soll Aristide einer Generalamnestie für das Militär zustimmen sowie sich bereit erklären, einen von der Opposition nominierten Premierminister zu ernennen und seine Rückkehr auf einen noch nicht näher bestimmten Zeitpunkt zu verschieben. In einem Artikel in der Washington Post vom letzten Wochenende erklärte sich Aristide mit den beiden ersteren Punkten einverstanden. Umstritten ist jedoch weiterhin der Zeitpunkt von Aristides Rückkehr und die Frage, ob er in eine Amnestie auch den Führer der Putschisten, Raoul Cedras, einschließen würde.

Offenbar auf Drängen des Clinton-Teams hatte Aristide am Montag über Radio die Haitianer aufgefordert, im Land zu bleiben. In einem Brief an UN-Generalsekretär Butros Ghali bat Aristide um die Entsendung internationaler Beobachter, deren Präsenz die Zahl der Menschenrechtsverletzungen reduzieren soll.

Ein UNO-Vertreter war gestern nach Port-au-Prince gereist, um die Ankunft von rund 500 Beobachtern vorzubereiten. Clinton selbst hatte angekündigt, mehr Botschaftspersonal zu entsenden, um in der Hauptstadt und auf dem Land Asylanträge entgegennehmen zu können. Flüchtlingsorganisationen halten das bestenfalls für kosmetische Verbesserungen einer politischen Kehrtwendung.