Akw: Falsch verdrahtet und nie kontrolliert

■ Radioaktives Wasser aus dem THTR in Hamm-Uentrop verschwunden

Hamm (taz) – In das Gebäude des stillgelegten Hochtemperaturreaktors THTR in Hamm-Uentrop sind mindestens 7.000 Liter Grundwasser eingedrungen und mit Tritium radioaktiv verseucht worden. Wo das Wasser geblieben ist – ins Grundwasser versickert oder verdunstet –, wird derzeit auf Veranlassung der Düsseldorfer Genehmigungsbehörde durch fünf Bohrungen in der Umgebung des Reaktors untersucht. Erste Messungen im Drainageschacht und im Grundwasserbrunnen haben nach Angaben der Betreibergesellschaft keine radioaktive Belastung ergeben. Mit Ergebnissen aus den 15 Meter tiefen Löchern wird in etwa drei Wochen gerechnet.

Der am 21.12. 1992 beim Düsseldorfer Wirtschaftsministerium als „besonderes Vorkommnis 04/92“ angezeigte Störfall geht auf eine Entdeckung im August letzten Jahres zurück. Damals fand man in einem nicht radioaktiv belasteten Kellerraum Wasser. Bei der Fahndung nach Ursprung und Verbleib der Pfützen stießen die Mitarbeiter im viereinhalb Meter unter der Erde liegenden Keller der Gasreinigung auf zwei Zentimeter hoch stehendes Brackwasser. Es war radioaktiv verseucht, weil in dem Raum die auch im Stillstandsbetrieb anfallende mit Tritium belastete Abluft gereinigt wird. Die Spuren an den Wänden zeigten, daß in den nur sehr beschwerlich mit Leitern erreichbaren Räumen das Wasser schon 40cm hoch gestanden haben muß und sich bis zu 7.000 Liter hier angesammelt hatten.

Nach den ersten Veröffentlichungen in der Lokalpresse reagierte der Hauptgesellschafter des THTR, der Dortmunder Energiegigant VEW, gewohnt abwiegelnd. Ein Pressesprecher verkündete naßforsch, daß das Wasser „zum größten Teil“ wohl verdunstet und „zu einem kleineren Teil in die dreieinhalb Meter starke Fundamentplatte zurückgesickert“ sei. Lange ließ sich diese Version nicht halten. Tatsächlich weiß derzeit kein Mensch die verseuchte Wassermenge zu quantifizieren, denn der Keller wurde vier Jahre lang nicht kontrolliert, wie die Betreiber inzwischen eingestanden haben. Deshalb kann niemand sagen, wie oft die Räume während dieser Zeit vollgelaufen sind.

Eigentlich sollte die rings um das Kraftwerk gebaute Drainage ein Eindringen von Grundwasser ausschließen. Doch das System funktionierte nicht und hat nie funktioniert. Der Grund: ein Schwippschalter im Grundwasserkontrollschaft war, wie VEW inzwischen bestätigt hat, falsch verdrahtet. Kaum zu glauben, aber wahr: an diesem Schalter hingen nicht nur zwei Drainagepumpen, sondern auch noch die Alarmanlagen und das Störungsaufzeichnungsgerät. Angesichts dieses genialen Sicherheitssystems fragt sich nicht nur der Dortmunder Tiefbau- und Dichttechnikexperte Prof. Weißenbach, ob es je einen Probelauf gegeben hat. Schon von der Konstruktion her müßte die Verbindung der Kontroll- und Arbeitssysteme „natürlich unmöglich sein“, so Weißenbach im WDR. Das gesamte Fundament des THTR hätte auch mit teerhaltigen Bitumenschichten wasserdicht gemacht werden können. Aber auch diese „schwarze Wanne“ fehlt.

Die Hammer BürgerInnen aber müssen mit diesem „mehrfachgesicherten“ Milliardengrab, einst der Lieblingsreaktor der Sozialdemokraten, trotz Stillegung noch lange leben. Der „sichere Einschluß“ hat sich schon um 23 Monate verzögert; obwohl der Reaktor keinen Strom mehr erzeugt, sind die Brennelemente noch nicht ausgebaut. Und auch danach muß der Reaktor 20 bis 30 Jahre abklingen, bevor er abgerissen werden könnte. Bei der finanziellen Bewältigung dieses Desasters stiehlt sich die Atomlobby gewohnt souverän davon. Hätte die Landesregierung Anfang 1992 nicht noch einmal 78,8 Millionen Mark als „Nachlaufkosten“ zugeschossen, wäre die Betreibergesellschaft längst pleite. Auf 800.000 Mark soll das haftende Eigenkapital nach Erkenntnissen der Grünen geschmolzen sein. Walter Jakobs