„Militarisierung der Außenpolitik“

In erster Lesung debattierte gestern der Bundestag die Regierungspläne künftiger Kampfeinsätze der Bundeswehr/ Sozialdemokraten hielten an ihrer strikten Ablehnung fest  ■ Aus Bonn Hans-Martin Tillack

In scharfen Worten hat gestern die Opposition die Pläne der Bundesregierung für künftige Bundeswehreinsätze abgelehnt. Der von Union und FDP am Mittwoch vorgelegte Entwurf für eine Änderung des Grundgesetzes, über den der Bundestag in erster Lesung debattierte, führe zu einer „Militarisierung der deutschen Außenpolitik“, sagte der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Karsten Voigt.

Voigt bot der Regierung erneut an, sich zunächst auf eine Grundgesetzänderung zu beschränken, die friedenserhaltende Blauhelmeinsätze ermöglicht. 95 Prozent aller denkbaren UNO-Missionen wären damit abgedeckt. Die Deutschen könnten damit Erfahrungen sammeln, ebenso wie „die anderen mit uns Erfahrungen sammeln können“, erklärte der SPD-Politiker. Schlage die Bundesregierung dieses Angebot der SPD aus, sehe er in dieser Legislaturperiode keine Kompromißmöglichkeit, fügte Voigt hinzu.

Der SPD-Abgeordnete Verheugen wies darauf hin, daß es die von der Bundesregierung vorgeschlagene Grundgesetzänderung erlauben würde, mit dem bloßen „Einverständnis“ eines von Dritten angegriffenen Staates Kampftruppen an diesen Konfliktherd zu entsenden. Mit diesem Vorschlag kehre die Zeit der „Kanonenbootdiplomatie“ zurück. Der UN-Sicherheitsrat werde „ausgehebelt“, die UN geschwächt. Die PDS-Abgeordnete Andrea Lederer warf der Bundesregierung vor, eine „Großmachtpolitik“ zu verfolgen und kündigte „erbitterten Widerstand“ an. Vera Wollenberger (Bündnis 90/Grüne) verlangte zwar ein begrenztes militärisches Eingreifen in Bosnien-Herzegowina, wies die Pläne der Bundesregierung jedoch zurück. Eher als Soldaten brauche die UNO Geld, meinte sie.

Redner der Unionsparteien und der FDP betonten dagegen, daß sich Deutschland nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes bei der internationalen Friedenssicherung nicht ausschließen dürfe. Frieden und Freiheit dürfe es nicht zum Nulltarif geben, sagte der Chef der Unionsfraktion, Wolfgang Schäuble.

Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Werner Hoyer, räumte ein, auch der seinerzeitige sowjetische Einmarsch in Afghanistan sei auf einen Hilferuf nach Artikel51 der UN-Charta zurückgegangen. Vor einem deutschen „Nothilfe-Einsatz“, wie ihn die Koalition ermöglichen wolle, müsse jedoch eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag zustimmen. Mißbrauchsmöglichkeiten seien damit ausgeschlossen.

Außenminister Klaus Kinkel (FDP) forderte einen „gesellschaftlichen Konsens“ über die Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr und rief die SPD auf, mit der Koalition zu verhandeln. Die Möglichkeit, angegriffenen Ländern militärisch zu Hilfe zu eilen, sei eine Möglichkeit, wie sie alle anderen Länder dieser Erde auch hätten, ausgenommen Japan. Gerade aus seiner Geschichte habe Deutschland eine besondere Verantwortung, „den Weltfrieden auch positiv zu fördern, notfalls eben auch durch Einsatz der Bundeswehr“.

Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) begründete die Koalitionspläne mit dem Satz: „Ich beende damit den Blick in die Vergangenheit und öffne das Tor zur Zukunft.“ Rühe wies darauf hin, daß auch aus den Reihen von Bündnis 90/Grüne Forderungen nach Militärinterventionen zu hören seien. „Der Krieg ist als Mittel der Politik nach Europa zurückgekehrt“, erklärte er. Für die Bundesregierung blieben Kampfeinsätze jedoch die ultima ratio.