Jon Jost is not a business

■ Der amerikanische Filmemacher Jon Jost stellte am Wochenende in einen Workshop seine Filme vor und sprach mit der taz

„Jon Jost ist kein Geschäft“ nennt der amerikanische Filmemacher im Abspann eines seiner Filme ironisch seine Produktionsgesellschaft. Um kommerzielle Erfolge hat er sich tatsächlich nie geschert, und an seinem kariertes Baumwollhemd und dem großen Loch im Ärmel seines dicken Pullovers erkennt man in ihm zumindest äußerlich einen der ewigen Hippies der amerikanischen Westküste.

Josts scharfer Verstand und künstlerischer Eigensinn verbieten dann aber doch solch einfache Zuordnungen. „Wahrhaftigkeit und Vergnügen“ will er mit seinen Filmen vermitteln. Ein wenig kokett räumt er ein, daß „fun“ dabei manchmal auf der Strecke liegen bleibt, aber „truthful“ ist eines seiner Schlüsselworte. So ist etwa die Frage nach künstlichem oder natürlichem Licht beim Filmen für ihn „eine fast ethische Entscheidung. Wie kann man die Wahrheit zeigen, wenn man schon von vornherein mit einer gefälschten Beleuchtung arbeitet ? Bei den meisten modernen Filmen ekelt mich technisches Licht."

Auch bei der Frage nach seinem künstlerischen Grundsätzen kommt er schnell auf diesen Unterschied zu sprechen: „Nach meiner Meinung gibt es zwei Arten von Künstlern. Die einen schichten soviel Ton wie möglich aufeinander. Coppola ist solch ein barocker Filmemacher, der mit möglichst viel Verzierungen und Effekten arbeitet. Andere nehmen vom Tonklumpen möglichst viel weg. Sie vereinfachen die Dinge und versuchen so, ihre Essenz zu finden. Wie Bresson bin ich mehr daran interessiert, auf diese Weise die Wahrheit zu zeigen. Der Maler Edward Hooper gehört auch zu diesen Künstlern, und wird deshalb oft als Realist bezeichent. Dabei sind seine Gemälde völlig unrealistisch, denn um diese einfachen, wesentlichen Bilder zu schaffen, mußte er all den Müll, all das Überflüssige, das einen in der Realität umgibt, wegschaffen. Das ist allerdings mit einer Kamera etwas schwieriger.“

Jost, für den es unvorstellbar ist, in Hollywood zu arbeiten (für ihn ist es ein „Propagandaorgan“) hat in seiner Heimat kaum Gelegenheit, seine Werke zu zeigen. Das Filmeessay „Plain Talk & Common Sense“, in dem er die US — Amerikaner direkt zum Widerstand gegen die Politik von Ronald Reagan aufruft, wurde in den USA vor höchstens 3000 Zuschauern gezeigt, während es ironischerweise in England im Fernsehen gesendet wurde.

„Die Frage ob ich in meinem Metier Erfolg habe, ist sehr kompliziert zu beantworten. In der Künstlerszene zählen die vielen Preise und Stipendien, während sie mir oft eher dümmlich und peinlich erscheinen. Der Guggenheim-grant ist im Grunde eine Beleidigung: wie Geld von der Sozialhilfe, das sie mir geben, damit ich schön das Maul halte. Die Tatsache, daß ich arbeite, ohne Geld zu verdienen ist überhaupt nicht witzig. In Amerika besteht die einzige sinnvolle Weise sich Respekt zu verschaffen darin, viel Geld zu machen. Mir ist das nicht so wichtig, aber warum kann ich nicht ganz normal und regelmäßig für meine Arbeit bezahlt werden ? In Europa sind die Bedingungen für jemanden wie mich günstiger. Mit meiner Filmographie wäre ich als Europäer etwa in der Position von Aki Kaurismäki, könnte also im Jahr ein bis zwei Filme für ein Budget etwa bis zu einer Million Dollars drehen. Aber Peter Greenaways Karriere hätte sich in den USA höchstens auf ein paar kleine 16 Millimeterfilme beschränkt.“

Josts Filme sind solche Produktionen mit extrem niedrigen Budget. Wie extrem sich seine Arbeitsweise von der normaler Filmcrews unterscheidet, erklärt er mit seinen Beobachtungen am Drehort eines normalen Hollywoodfilms:“Es sollte einfach nur eine Szene gedreht werden, in der ein Mann einer Frau eine Blume übergibt. Dazu wurde ein ganzer Straßenzug abgesperrt; dreißig Mitglieder der Filmcrew schwirrten um die beiden Schauspieler herum; es gab eine Cafetetia und eine Toilette. Für das Geld, das nur diese eine Szene gekostet hat, habe ich fünf von meinen Filmen gedreht.“

Kein Wunder also, wenn der klassische Vertreter des unabhängigen Autorenkinos sich stroff von seinen im System integrierten Kollegen distanziert: „Den Regisseuren (directors) begegne ich fast mit etwas Verachtung. Ich sehe mich als Filmemacher: ich schreibe das Drehbuch, produziere den Film, stehe hinter der Kamera, schneide selber und das Regieführen ist nur ein kleiner Teil von dieser Arbeit. Für mich wäre es etwa unvorstellbar, jemanden anderes einzustellen, der als Kameramann die Endscheidungen trifft, wie der Film aussehen wird. Als Regisseur steht man im Grunde nur in der Mitte und ordnet die Arbeit der Autoren, Schauspieler, Kameramänner usw. Es gibt Ausnahmen, aber die meisten Regisseure sind für mich nur Verkehrspolizisten“. Wilfried Hippen Im Cinema läuft heute und morgen um 18.45 Uhr Jon Josts Film „Sure Fire“