Wieder Angriff auf Bagdad

■ US-Kampfflugzeug schoß irakische MiG ab/ Saddam Hussein: „Irak ist unbesiegbar“

Washington (taz) – Pünktlich zum zweiten Jahrestag des Angriffs alliierter Flugzeuge auf Bagdad ist die irakische Hauptstadt gestern abend wieder zum Ziel von Angriffen der westlichen Alliierten im Golfkrieg geworden. Dies berichteten mehrere US-amerikanischen Fernsehsender gestern abend. Bei Redaktionsschluß lag zunächst noch keine offizielle Bestätigung vor. Zuvor hatten Korrespondenten in Bagdad irakisches Abwehrfeuer gemeldet. Das Pentagon erklärte lediglich, daß Marschflugkörper von amerikanischen Schiffen im Golf abgefeuert worden seien. Ersten Informationen zufolge galt der Angriff offenbar einem atomaren Forschungszentrum bei Bagdad. Die US- Fernsehbilder zeigten wie Leuchtspuren über der Stadt aufstiegen.

Die Kampfbomber auf dem Flugzeugträger „Kitty Hawk“ waren bereits am Samstag wieder in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt worden. Während im Weißen Haus gestern noch das Wann und Wie eines weiteren Bombenangriffs gegen den Irak beraten wurde, beschwor Saddam Hussein in einer Fernsehansprache die „Mutter aller Schlachten“ und die Unbesiegbarkeit des irakischen Volkes. Außerdem meldete er erneut seinen Anspruch auf Kuwait an.

Allerdings geht es zwei Jahre nach Beginn von Operation Desert Storm nicht um kuwaitisches, sondern um irakisches Territorium. Kurz vor Ende der Bush-Administration ist Bagdad offenbar entschlossen, die verlorene Souveränität über die Flugverbotszonen im Norden und Süden des Landes zurückzugewinnen. Die irakische Luftabwehr ist nach Angaben des stellvertretenden Ministerpräsidenten Tarik Asis einsatzbereit.

Die Situation hatte sich am Sonntag morgen weiter verschärft, nachdem bekannt wurde, daß der Pilot einer F-16 der U.S. Air Force einen irakischen MiG-Jäger über der Flugverbotszone nördlich des 36.Breitengrades abgeschossen hatte. In einer Pressekonferenz erklärte der Sprecher des Weißen Hauses, Marlin Fitzwater, in der Nacht zum Sonntag seien amerikanische F-16-Maschinen über der nördlichen Flugverbotszone mehrfach beschossen worden. Irakische Flugzeuge hätten ihrerseits das Flugverbot verletzt. Auch entlang der umstrittenen Grenze zu Kuwait gab es gestern keine Ruhe: Bei einem Angriff auf eine Grenzpatrouille wurde ein Iraker erschossen. Bei Redaktionsschluß lagen keine Meldungen über neue Bombardements gegen den Irak vor. Mit einem weiteren Angriff seitens britischer und US-amerikanischer Bomber wurde jedoch stündlich gerechnet.

Auf den Straßen der US-Hauptstadt war von den jüngsten Ereignissen allerdings nichts zu spüren. Hier interessiert sich im Gegensatz zum 17.Januar 1991 heute kaum jemand für die Machtproben zwischen dem Irak und den USA. Statt dessen wartete man gespannt auf den pompösen Einzug Bill Clintons in die Hauptstadt und den Beginn der gigantischen „Reunion“-Feier.

Der scheidende Präsident George Bush hatte Saddam Hussein am Freitag ein Ultimatum bis 16 Uhr (22 Uhr MEZ) gestellt. Bis dahin sollte Bagdad nicht nur die Flüge von UNO-Inspektionsteams in Maschinen der Vereinten Nationen, sondern auch deren Sicherheit garantieren. Letzteres hat der Irak verweigert. In einer Pressekonferenz erklärte Tarik Asis, Bagdad könne für die Sicherheit der UNO-Flugzeuge nur dann die Verantwortung übernehmen, wenn diese ausschließlich durch einen Luftkorridor aus Jordanien einfliegen würden. Außerhalb des Korridors bestehe die Gefahr, ins Feuer der irakischen Luftabwehr zu geraten, wenn diese auf alliierte Kampfflieger in den Flugverbotszonen nördlich des 36. und südlich des 32.Breitengrades zielen würden.

Pläne, einen zweiten Angriff noch am Freitag abend anzuordnen, hatte Noch- Präsident George Bush offenbar nach Einwänden des britischen Premierministers John Major zurückgezogen, der erst eine Reaktion und Stellungnahme der UNO einholen wollte. Die lehnte Asis' Angebot eines Luftkorridors am Samstag uneingeschränkt ab. Gestern nachmittag bot der Irak den UN-Maschinen dann auch die Einreise aus Bahrain an – allerdings nur, wenn die westlichen Kontrollflüge im Süden ausgesetzt werden. Andrea Böhm