: Eine Abschiedsparty nach Saddams Art
Der irakischen Führung geht es jenseits des „Showdowns“ auch um reale Anliegen/ Alle Hoffnungen richten sich nun auf Clinton/ Eine Lockerung des Embargos wird erwartet ■ Aus Bagdad Khalil Abied
Der jüngste Showdown zwischen dem Irak und den USA gleicht auf den ersten Blick einem Tauziehen zwischen Saddam Hussein und George Bush: Wer kann dem jeweiligen Gegner kurz vor dem Abtritt des US-Präsidenten das „bessere“ Abschiedsgeschenk mit auf den Weg geben? „Der persönliche Haß zwischen Bush und Saddam ist ein Teil des Konflikts zwischen beiden Ländern geworden“, meint ein arabischer Diplomat in Bagdad, der namentlich nicht genannt werden möchte. „Saddam möchte seinen Traum verwirklichen, daß Bush das Weiße Haus mit einer Niederlage verläßt. Durch die provokanten Schritte, die er in den letzten Tagen unternommen hat, will er Bush die Botschaft schicken: Du hast alles versucht, um mich zu stürzen, du bist weg, und ich bin noch da. Aber Bush hat ihm diese Chance nicht gegeben“, fügt der Diplomat hinzu.
Doch neben der persönlichen Aversion und dem theatralisch gewählten Zeitpunkt geht es beiden Seiten auch darum, Fakten zu schaffen. Saddam Hussein geht davon aus, daß er in diesen letzten Tagen, in denen Bush noch im Weißen Haus sitzt, eine gute Chance hat, sich von einigen Fesseln zu befreien, die ihm der US- amerikanische Präsident angelegt hat. Die Führung in Bagdad ging dabei davon aus, daß die Bush-Administration jetzt nicht mehr imstande ist, harte Maßnahmen gegen den Irak zu ergreifen.
Die Fesseln, die der Irak in erster Linie abstreifen will, sind die Flugverbotszonen im Norden und Süden des Landes. In Kreisen der irakischen Führung wird befürchtet, daß diese Maßnahmen, die zum Schutz der Kurden und der Schiiten eingerichtet wurden, letztendlich darauf abzielen, den Irak aufzuteilen, auch wenn dies in Washington immer wieder bestritten wurde. Für die Führung in Bagdad, die diese Einschränkung ihrer Souveränität nie akzeptiert hat, ist daher die Aufhebung des Flugverbots ein zentrales Anliegen – aber nicht nur aus politisch-strategischen Erwägungen. Ihr ist gleichzeitig daran gelegen, die vollständige Kontrolle über beide Gebiete zurückzugewinnen.
Für den Süden dürfte dies ein neues, schärferes Vorgehen gegen die oppositionellen schiitischen Gruppierungen bedeuten, die über die gemeinsame Grenze hinweg auch Kontakte zum benachbarten und ehemaligen Kriegsgegner Iran haben. Dies ist Bagdad ein Dorn im Auge.
Die Botschaft an die Organisationen der Kurden im Nordirak, die dort unter alliiertem Schutzschild eine Selbstverwaltung aufgebaut haben, lautet: die westliche Unterstützung wird früher oder später zuende gehen, deshalb ist es eure einzige Chance, die Verhandlungen mit Bagdad wieder aufzunehmen.
Mit den Überfällen im entmilitarisierten kuwaitisch-irakischen Grenzstreifen hat die Führung in Bagdad eine weiteres heißes Thema angeschnitten: die von der UNO festgelegte neue Grenze. Dadurch hat der Irak einen Streifen von 600 Metern Breite verloren, in dem auch der irakische Hafen Al Kasr liegt. Der Irak, der sein Öl bisher über Pipelines durch Saudi-Arabien und die Türkei exportierte, wollte sich in der Folge des Golfkrieges – beide Länder standen damals auf Seiten der Alliierten – von jedweden Erpressungsversuchen aus Ankara und Riad unabhängig machen und ein Großteil des Öls über Al Kasr ausführen. Die Umsetzung dieser Pläne wird durch die neue Grenzziehung verhindert. Die Überfälle sollten signalisieren, daß Irak die Grenze nicht anerkennt.
Offizielle Kreise in der irakischen Hauptstadt werfen der Bush-Administration vor, die jüngste Krise selbst verursacht zu haben. „Die Flugabwehrrakten (in den Flugverbotszonen, d.Red.) wurden schon vor langer Zeit in ihre jeweiligen Positionen gebracht“, erklärt ein hoher Funktionär der herrschenden Baath-Partei. „Wir wissen genau, warum Bush die Lage verschärfen will. Er will die neue Clinton-Administration zwingen, seine Strategie gegenüber dem Irak fortzusetzen. Wenn Clintons erste Amtstage mit einer Konfrontation mit dem Irak zusammenfallen, wird er nur schwer eine andere Politik einleiten können. Das würde dann so aussehen, als hätte er gegenüber Saddam Hussein Konzessionen gemacht.“ Bei Gesprächen, sei es mit Funktionären, sei es mit Leuten in den Straßen, gewinnt man den Eindruck, daß die meisten große Hoffnungen hegen, die Clinton-Administration werde einen neuen Kurs in der Politik gegenüber dem Irak einschlagen. „Unsere Beziehungen zu Clinton werden ganz andere sein als die zu Bush“, kommentiert der Parteifunktionär und weist darauf hin, daß sich dies schon in der Zeit gezeigt habe, als dieser noch Gouverneur von Arkansas war. Irak habe für Milliarden von Dollars landwirtschaftliche Produkte wie Reis und Getreide in dem US-Bundesstaat gekauft. Clinton wisse daher genau, welche wirtschaftlichen Interessen man mit einer veränderten Politik gegenüber dem Irak befriedigen könne.
Nach Angaben von gut informierten Kreisen in Bagdad ist der stellvertretende irakische Ministerpräsident Tarik Aziz bereits vor zwei Monaten in die USA gereist, um mit Mitarbeitern Clintons zusammenzutreffen. Aziz sei mit dem Eindruck nach Bagdad zurückgekehrt, daß sich zumindest eine teilweise Änderung der Politik abzeichne. Auch habe der designierte US-Präsident über mehrere arabische Regierungen und Organisationen Botschaften nach Bagdad gesandt. Dies seien positive Signale, heißt es.
„Wir sind weder optimistisch oder pessimistisch“, meint der bereits erwähnte Parteifunktionär. „Wir glauben, daß Clinton das Embargo zum Teil aufheben und dem Irak erlauben wird, wieder Öl zu verkaufen. Aber in anderen Punkten, wie gegenüber der Person unseres Präsidenten und in militärischen Dingen, wird er Bushs Politik fortsetzen.“ Offizielle Kreise in Bagdad rechneten am Wochenende mit neuen Angriffen vor dem Ablauf von Bushs Amtszeit, beispielsweise auf die Hauptstadt, den Präsidentenpalast oder das Verteidigungsministerium.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen